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0965 - Die zweite Unendlichkeit

0965 - Die zweite Unendlichkeit

Titel: 0965 - Die zweite Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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auf und ab zu gehen. »Ich weiß ja nicht, wie's Ihnen geht, aber ich für meinen Teil bin mir in einem Aspekt dieser ganzen Scheiße ziemlich sicher: Man hat uns entführt. Fragen Sie nicht, wie oder wer. Keinen Schimmer. Aber dass dem so ist, dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen - was mir, nebenbei erwähnt, im Normalfall gar nichts ausmacht.«
    Normalfall. Da war diese Formulierurig wieder. Zamorra schluckte.
    »So etwas sagen Sie jetzt schon zum zweiten Mal. Trifft sich gut, denn ich wollte Sie ohnehin darauf ansprechen. Eben, da draußen… da versuchten Sie, sich zu… entkörpern?«
    Der Grauhaarige schnaubte. »Ersparen Sie sich und mir die Mühe, Ihnen das zu erklären, okay? Ich könnte es nicht, weil kein Wort dem gerecht wird, und Sie könnten es nicht verstehen, weil es Ihren beschränkten Geist übersteigt.«
    Arrogante Worte, und doch klang keinerlei Hochnäsigkeit in ihnen mit. Wer immer Kyrgon auch war, er drückte nur aus, was für ihn völlige Normalität war. Selbstverständlichkeit.
    Dennoch zweifelte Zamorra keine Sekunde lang daran, dass der Mann gefährlich war. In anderer Situation, davon war er instinktiv überzeugt, hätte er gegen ihn gekämpft.
    Hoffentlich muss ich das nicht , dachte er. Nicht hier, wo meine Waffen nur sporadisch funktionieren.
    Aber war dem so? Oder lag auch in der eigenartigen Befehlsverweigerung von Merlins Stern und dem Dhyarra-Kristall ein System, das ihm nur nicht ersichtlich war?
    »Grundgütiger!«
    Das war Nicole. Zamorra drehte den Kopf in ihre Richtung.
    Seine langjährige Gefährtin hatte gemeinsam mit Ben begonnen, den klobigen Schrank nach Nahrung zu durchsuchen. Allem Anschein nach hatten sie dabei etwas ganz anderes gefunden.
    »Was ist das?«, hauchte Ellie und trat zu ihnen.
    »Ich glaube, das will ich gar nicht wissen«, murmelte Nicole und legte den Arm um sie.
    In der Rückwand des Schranks befand sich ein Loch, durch das Zamorra ein Fenster erkennen konnte - das erste, das ihm in diesem Albtraumhaus überhaupt begegnet war. Es war Teil der rechten Seitenwand der Kammer, aber von irgendjemandem mit diesem Schrank versperrt worden, sodass es erst auffiel, wenn man dessen Türen öffnete.
    Es war ein schlichtes Fenster, wie man es in dieser Art Gebäude erwarten würde: rechteckig, einfach verglast, altes und wurmstichiges Holz. Doch das eigentlich Interessante war ohnehin der Anblick, der sich dem Betrachter jenseits der Scheibe bot!
    Dort draußen war nichts als Leere. Ein endlos scheinendes Schwarz, indem eigenartige Wirbel aus Licht und Energie waberten. Der Anblick war gleichermaßen atemberaubend schön und beängstigend.
    »Wir sind jedenfalls nicht mehr in Kansas«, sagte Ben leise.
    Zamorra schluckte. »Können Sie irgendetwas spüren? Lebewesen, Präsenzen, wie immer Sie das auch nennen. Ist da draußen jemand?«
    Kyrgon sah ihn an, als hielte er den Professor für wahnsinnig, sagte aber nichts.
    »Noch nicht, aber vielleicht…« Ben schloss die Augen, konzentrierte sich. Sein Gesicht verzog sich vor Anstrengung, und erste Schweißperlen traten auf seine Stirn. Nach ein paar Sekunden gab er auf. Er wirkte erschüttert. »So etwas habe ich noch nie erlebt.«
    »Was?«, bohrte Kyrgon nach. Er klang gleichermaßen besorgt und aggressiv, als wolle er sich auf einen Gegner vorbereiten, dessen Kommen er ahnte, den er aber nicht einschätzen konnte. »Was haben Sie gespürt?«
    »Nichts.« Ben hob die Hand und fuhr sich durch das braune Haar. Seine Hand zitterte. »Da ist gar nichts. Und das ist unmöglich.«
    »Wie meinen Sie das?«, wollte Nicole wissen. Ihre Augen waren groß.
    »In Dead Man's Creek, wo Ellie und ich gefangen waren, lebten nie mehr als sieben Personen gleichzeitig«, begann Ben, zu erklären. »Aus Sicherheitsgründen. Wir konnten sie erlauschen , wann immer sie in der Nähe waren. Aber wir erlauschten auch die anderen Lebewesen. Keine Sidewinder Rattlesnake, kein Skorpion und kein Kojote, der sich über unseren unterirdischen Zellen über den Wüstenboden bewegte, entging unserer Aufmerksamkeit, wenn wir uns richtig anstrengten.« Mehrmals musste er anhalten und sich sammeln, so sehr haftete der Eindruck des vergangenen Lausch versuchs noch an ihm.
    Ellie legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. »Wir waren nie wirklich allein, das will er damit sagen«, fuhr sie an seiner Stelle fort. »Auch wenn wir hundert Meter unter der Erde in der Finsternis eines geheimen Labors gefangen waren, eine halbe Tagesreise von

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