0966 - Der Weg des Jägers
das Telefon, nachdem der Parapsychologe schon fast eine Schneise in den Fußboden gewandert hatte. Der Kommissar aus Deutschland meldete sich am anderen Ende der Leitung und Zamorra fiel eine Riesenlast vom Herzen.
»Ich bin beinahe am Verzweifeln«, sagte der Meister des Übersinnlichen gleich nach der Begrüßung.
»Wieso?«
»Dylan hat sich seit einigen Tagen nicht mehr gemeldet. Zuletzt hat er mir eine SMS zukommen lassen, in der stand, dass er mit Ihrer Hilfe eine weitere Spur gefunden hat. Danach brach das berüchtigte Schweigen im Walde aus.«
Zamorra spürte, dass er den Hörer vor lauter Anspannung fest umklammert hielt. Er atmete tief durch und lockerte seinen Griff, damit er die Kunststoffschale nicht zerdrückte.
»Es ist ungewöhnlich, dass sich Dylan nicht an Abmachungen hält. Das beunruhigt mich.«
»Kann ich verstehen«, erwiderte Saal.
»Es stimmt also, Sie haben eine Spur gefunden?«
»So ist es. Dylan kam zu mir und wir sind nach einem kurzen Gespräch im Präsidium direkt zum Haus von Jo Steigner gefahren. Ich habe ihn über alles informiert, was wir vonseiten der Nachbarn erfahren hatten. Dylan hoffte, etwas aufzustöbern, was den ermittelnden Beamten durch die Lappen gegangen war. Schließlich wussten sie nicht, wonach sie Ausschau halten sollten. Wir haben das Haus förmlich auf den Kopf gestellt. Stundenlang! Irgendwann bekam ich Hunger. Ich bin schnell los, um uns etwas zu essen zu besorgen, und als ich zurückkam, saß Dylan in Steigners Arbeitszimmer…«
***
»So, da bin ich wieder!«, rief Frank Saal.
Er hatte zwei Päckchen aus braunem Papier bei sich und hielt sie Dylan unter die Nase. »Hier, riechen Sie mal. Duftet das nicht verlockend?«
Der Schotte musterte die Fettflecken und zog die Augenbrauen hoch.
»Jetzt haben Sie sich nicht so!« Saal lachte. Offenbar hatte er den Blick bemerkt. »Das ist kein Makel, sondern ein Qualitätsmerkmal.«
Er lud seine Feinschmecker-Last auf der Schreibtischplatte ab. Das gestaltete sich schwierig, denn Dylan und er hatten im Verlauf der letzten Stunden beinahe jeden Quadratzentimeter mit Papierstößen, Aktenordnern, Kladden, Büchern und anderem Krimskrams vollgepackt. Er holte zwei PET-Flaschen mit Mineralwasser aus den Manteltaschen hervor und stellte sie neben die eingewickelten Köstlichkeiten.
Dylan hockte am Schreibtisch und balancierte einen hellen Leinenbeutel auf dem Schoß. Er blätterte in einem jener Taschenkalender, die Banken und Versicherungen so gerne als Werbegeschenke verteilten.
»Es ist aussichtslos, Frank.« Mit einem Seufzen schleuderte er den Kalender auf die Tischplatte, wo er beinahe einen Stapel mit Belegen und Rechnungen zum Einsturz brachte.
Saal reagierte reflexartig, verhinderte mit seiner ausgestreckten Hand das Malheur und lächelte Dylan an. Wenn es tröstlich wirken sollte, verfehlte es seine Wirkung. »Sie sehen das zu negativ! ›Schwierig‹ würde es um einiges besser treffen.«
Er räumte einen Turm Fachliteratur von der Sitzfläche eines Stuhls - Bücher und Magazine, die sich mit Steigners früherem Beruf, der Physiotherapie, beschäftigten.
»So ergeht es uns Polizeibeamten öfters. Um eine Spur zu finden, sind wir gezwungen, uns durch eine Menge unnützen Kram zu wühlen, der uns den Blick auf das Wesentliche versperrt. Begriffe wie aussichtslos haben wir aus unserem Wortschatz gestrichen. Die würden nur stören.«
Er griff nach einer der Wasserflaschen, öffnete sie und nahm einen kleinen Schluck, ehe er weitersprach.
»Es ist langatmig, beschwerlich und öde! Und meistens vollkommen sinnlos. Kein noch so begabter Polizist löst einen Fall in neunzig Minuten wie die Tatort-Kommissare.«
Der Schotte sah auf und runzelte die Stirn. »Tatort-Kommissare?«
»Eine deutsche Fernsehserie. Nicht so wichtig.« Saal winkte ab und nahm noch einen Schluck. »Wenn man aber etwas Handfestes findet, was einen der Lösung des Falls einen Schritt näher bringt, dann erkennt man, dass all die Arbeit die Mühen wert war.«
Der Kriminalbeamte stellte die Flasche beiseite und griff nach einem der Fresspakete.
»Stärken Sie sich erstmal! Wenn der Magen nicht mehr knurrt, fällt einem das Suchen leichter. Außerdem schmeckt die Currywurst vom Katastrophen-Imbiss einfach klasse.«
»Katastrophen-Imbiss? Klingt nicht allzu verlockend.«
»Ist es aber! Die beste Currywurst von Hof. Fragen Sie mich nicht, woher der Name stammt.« Das Papier knisterte, als Saal daran herumnestelte.
Dylan schüttelte
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