0966 - Der Weg des Jägers
hatte«, ergänzte Zamorra. »Anhand der Aufzeichnungen, die man im MagiCorner gefunden hat, konnte die Polizei ihm bislang vier Morde nachweisen. Zuletzt hat Kerth einen Anwalt aus Hamburg umgebracht, der Mitglied in einem magischen Zirkel war und der ihm Informationen über dessen Aktivitäten lieferte.«
»Und nicht zu vergessen das arme Ding, das er an seine Dämonen verfüttert hat.« Nicole erschauderte sichtlich. »Anfangs hat er es sicher gut gemeint, am Ende aber nur noch Schaden angerichtet. Selbst sein Bruder kam nicht ungeschoren davon.«
»Vielleicht erholt er sich wieder«, meinte Zamorra.
Matthias Kerth befand sich in einem Sanatorium, wo er zahlreiche Therapien in Anspruch nehmen konnte, die ihm hoffentlich halfen, ins Leben zurückzufinden.
Nicole hatte am Vortag mit Professor Landru von der DeBlaussec-Stiftung telefoniert und ihm Matthias' Fall geschildert. Nun stand fest, dass die Einrichtung sämtliche anfallenden Therapiekosten übernehmen würde. Dahingehend war also alles geregelt und Zamorra war beruhigt.
Mit Dylan McMour verhielt es sich anders. So wie er im Rollstuhl saß und nachdenklich dreinblickte, wirkte er längst nicht mehr wie der quirlige und manchmal etwas großmäulige Hansdampf.
Die jüngsten Geschehnisse hatten die Sichtweise des Schotten anscheinend erheblich verändert. Zamorra fragte sich, wie viel von diesen Veränderungen von Dauer waren. Er hoffte inständig, dass Dylan nicht zu einem stillen Grübler geworden war.
Der Parapsychologe griff in die Hosentasche. »Hier, für dich.«
Er hielt Dylan etwas entgegen, das an ein Stück zerknitterten Stoff erinnerte. Die Augen des Schotten weiteten sich. »Wow, das hätte ich beinahe vergessen.«
Er nahm das magische Armband an sich und strich es auf dem Schoss glatt.
»Als wir die Halle verließen, konnte ich es problemlos von Leons Unterarm lösen«, erklärte der Meister des Übersinnlichen.
Er klopfte seinem Freund auf die Schulter.
»Du wirst noch ein paar Tage brauchen, bis du nach Hause darfst. Aber wir müssen jetzt leider los.«
Nicole trat ebenfalls an Dylan heran, beugte sich vor und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
»Lass dich nicht unterkriegen, ja?«
Dylan zeigte wieder sein für ihn so typisches Grinsen.
Anscheinend setzt die Heilung schon ein! , dachte Zamorra zufrieden.
»Na klar. Unkraut vergeht nicht. Vor allem nicht, wenn es aus Schottland stammt.«
»Hört, hört!«
Die Franzosen verabschiedeten sich und traten auf den Flur. Zamorra streckte den Kopf noch einmal ins Zimmer. Ihm war noch etwas eingefallen. »Günther Knudsen lässt dir übrigens die besten Genesungswünsche übermitteln. Ruf ihn doch mal an und bedanke dich dafür, ja?«
»Du kannst es einfach nicht lassen! Musst mir immer sagen, was ich tun soll, wie?« Dylan grinste und hob den Daumen. »Aber dieses Mal ist's okay. Ich werde bei Knudsen durchrufen. Und bei Frank Saal auch.«
***
Dylan starrte eine Weile auf die Tür. Unzählige Gedanken wirbelten ihm durch den Kopf.
Dann wanderte sein Blick zum magischen Armband in seiner Hand. Er hob es hoch, betrachtete es einen Moment ernst und nickte dann.
Er legte es um das rechte Handgelenk. Wie nicht anders zu erwarten, schien der Stoff mit der Haut seines Unterarms eins zu werden, während sich die Tribals ausdehnten und träge umherdrifteten.
»Ab sofort ist das dein Stammplatz. Ich nehme dich nie wieder ab!«
***
Nachspiel
Er blieb unvermittelt stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand geprallt.
»Nein«, schnappte er. »Das darf nicht sein. Nicht jetzt! Nicht so kurz vor dem Ziel.«
Er stieß die Worte keuchend aus und blickte sich verzweifelt um, als könne ihm jemand auf der Straße helfen und die Spur erneut aufleben lassen.
Doch keiner konnte das.
Einige Passanten musterten ihn irritiert, wie er atemlos dastand und leise vor sich hin flüsterte, aber niemand sagte etwas.
Sein Blick fiel auf das mehrstöckige Gebäude zweihundert Meter vor ihm. Seit Tagen folgte er dem Ruf, den er endlich wieder vernommen hatte. Nach so vielen Jahren! Immer in der Hoffnung, seine alte Sehnsucht stillen zu können.
Von New York nach Deutschland! Mit der Bahn von Frankfurt nach Hamburg. Und zuletzt mit einem Leihwagen nach Schleswig. Er war den leitenden Impulsen durch die Straßen gefolgt. Sie waren für ihn Wegweiser und Gefährten zugleich gewesen.
Und dann, als er gespürt hatte, dass das Ziel ganz nah war - hatten sie ihn einfach verlassen. Ein Gefühl unendlicher
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