0969 - Mandragoros Geschöpf
glitschigen Masse geworden. Zum Glück war er in der letzten Zeit nicht beim Friseur gewesen, so konnte ich meine Hand in die langen Strähnen hineindrehen.
Dann mußte ich ziehen.
Ziehen und zerren!
Auf keinen Fall loslassen.
Ich konzentrierte meine gesamte Kraft auf den rechten Arm, denn den Körper durfte ich auf keinen Fall einsetzen. Durch die dabei entstehende Gewichtsverlagerung wäre ich nur ins Rutschen gekommen und ebenfalls im kalten Wasser gelandet.
Es klappte.
Zumindest der erste Schritt. Ich hatte den Kopf so hoch reißen können, um das Gesicht wieder über Wasser zu halten. Bei Kline bestand nicht mehr die Gefahr des Ertrinkens, was er zum Glück auch merkte, denn er riß bereits den Mund auf und schnappte nach Luft. Ich hörte keuchende und saugende Geräusche. Ob bewußt oder nicht, er jedenfalls rammte seinen Arm in die Höhe. Wie ein zuckendes Etwas glitt seine Hand vor meinem Gesicht hin und her, aber ich faßte nicht mit der Linken nach, denn sie benötigte ich als Stütze.
Der Mann steckte noch fest. Dieser verdammte Untergrund war wie zäher Gummi, dessen Kraft ich zunächst einmal überwinden mußte.
Ich zerrte weiter.
Meine rechte Hand schien mit dem Haar des Mannes verwachsen zu sein. Die Augen traten mir dabei aus den Höhlen. Mein Mund stand ebenfalls weit offen. Ich holte keuchend Luft und machte weiter.
Er jammerte. Er schrie, und ich spannte meinen Arm so hart an, daß ich den Eindruck bekam, ihm alle Haare vom Kopf reißen zu müssen. Aber es klappte. Ich merkte die Bewegung seines Körpers und stellte auch fest, daß er an Schwere verloren hatte, denn der Auftrieb des Wassers kam mir entgegen.
»Wir schaffen es!« keuchte ich, um ihm noch einmal Mut zu machen.
Es war wirklich so, wie es der Vergleich vorschrieb. Ich zog diesen Mann an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpf. Ein Wahnsinn, kaum zu begreifen, aber er drängte sich mir immer weiter entgegen, und ich war froh, daß der Wasserspiegel hier nicht so hoch stand.
Es kam der Zeitpunkt, wo ich auch mit der linken Hand zugreifen konnte, ohne Klines Tod zu riskieren.
Die Finger umfaßten sein Gelenk. Ich selbst hatte mich zurückgedrückt und mich gegen den schrägen Boden der Böschung gestemmt. Auch ich hatte einen Teil meiner Kraft verloren, Es war mir beinahe schwarz vor Augen geworden, aber ich machte weiter, denn es gab kein zurück. Ich kämpfte - und ich gewann diesen Kampf.
So richtig bekam ich es nicht mit, als Melvin Kline aufs Trockene kletterte oder kroch. Ich lag jedenfalls auf dem Rücken. Seine Haare hatte ich längst losgelassen, und neben mir lag der gerettete Mann auf dem Bauch, würgte, brach Wasser aus, jammerte, weil sich sein Kopf anfühlen mußte, als wäre er in einen Topf mit heißer Glut getaucht worden. Nicht weiter schlimm, er würde es überleben, denn das war alles so gut wie kein Problem.
Auch ich hatte es geschafft, aber die eigentlichen Probleme waren damit noch nicht aus der Welt.
Mir fiel Suko ein, auch dieser Cursano und natürlich die Frau, die sich dem Unheimlichen an den Hals geworfen hatte.
Ich richtete mich auf.
Die Bewegung war etwas zu heftig ausgefallen. Den plötzlichen Schwindel konnte ich nicht so schnell unter Kontrolle bekommen. Der Sumpf bewegte sich vor mir wie ein Film, der sich mitten im Bild dem Ende zuneigt.
Ich sah wieder klarer.
Es war wie im Märchen. Ich konnte es nicht glauben. Die Szenerie hatte sich nicht verändert, denn nach wie vor hockte Suko in seinem Boot und zielte auf Cursano.
Mir war es vorgekommen, als hätte ich Stunden um das Leben des Mannes gekämpft. Tatsächlich aber waren nicht mehr als einige Minuten vergangen, und doch hatte es eine Veränderung gegeben.
Als ich aufstand, wurde diese Bewegung von Suko und auch von Cursano wahrgenommen, und es war Suko, der mir vom Boot aus über die Wasserfläche etwas zurief. »Unser Freund versucht zu handeln. Ich wollte warten, was du dazu sagst, bevor ich ihn zur Hölle schicke…«
***
Was da alles abgelaufen war, konnte ich nicht wissen. Ich mußte zunächst die Gedanken ordnen, was Cursano wohl zu lange dauerte, denn er rief mir zu, wobei seine Stimme einen höhnischen Klang bekommen hatte: »Wenn er mich töten will, wird es euer Schaden sein. Dann werdet ihr nie mehr diese Chancen bekommen.«
Durch die Antwort fühlte ich mich etwas auf den Arm genommen. »Chancen?« höhnte ich. »Welche Chancen? Wir haben gesehen, daß du jemand bist, der nur zerstören will. Wir waren dabei, wie das
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