0970 - Der Werwolf, die Hexe und wir
überrascht, daß sie es tatsächlich schaffte.
Für eine Weile blieb sie vor der Schwelle stehen. Nicht daß es ihr etwas ausgemacht hätte, in ein fremdes Haus einzudringen, moralische Bedenken empfand sie da nicht, sie spürte nur, daß sich die innere Stimme meldete. Es war der Instinkt, der ihr eine Warnung mit auf den Weg gab.
Eine Waffe trug sie nicht bei sich. Morgana verließ sich auf ihre eigenen Kräfte. Und so drückte sie die Tür weiter auf, damit sie sich durch die Lücke schieben konnte.
Es gab keine Diele, keinen Flur. Wer die Blockhütte betrat, der gelangte sofort in den Wohnraum. In der Dunkelheit entdeckte sie an der rechten Seite die Umrisse einer weiteren Tür, ließ sie aber außer acht, sondern durchwanderte mit kleinen, leisen Schritten den größeren Raum.
Ein bestimmter Geruch fiel ihr auf. Sie kannte ihn, denn so rochen offene Kamine. Den Kamin gab es, er war gemauert, und es lag tatsächlich noch alte Asche darin. Das störte sie nicht. Auch nicht die beiden leeren Betten mit den dunklen Decken. Es war etwas anderes, ein Geruch, eine Hinterlassenschaft, die ihrer Ansicht nach nicht von Menschen stammen konnte.
Morgana kam damit nicht zurecht. Nur ihre Sinne signalisierten Alarm.
Wer hielt sich hier auf? Tatsächlich Menschen? Der Geruch erinnerte sie an etwas anderes. Und ihr wurde plötzlich kalt, als sie es herausgefunden hatte, denn sie als Werwolf nahm ihre Todfeinde wahr.
Es roch nach Vampir! Ein Schauer kroch über ihren Rücken.
Plötzlich reagierte sie sehr menschlich. Ein Vampir hier?
Bestimmt nicht unmöglich, wenn sie daran dachte, was sie am Tafelberg erlebt hatte. Wo versteckten sie sich? Morgana durchsuchte die Hütte. Sie öffnete auch die zweite Tür. Hinter ihr befand sich eine Toilette und eine Waschgelegenheit, aber kein Blutsauger.
Sie waren da, das wußte sie. Sie lauerten. Eigentlich hätten die Geschöpfe der Finsternis in der Nacht erscheinen müssen, denn das war ihre Zeit.
Die Wölfin trat an das Fenster heran. Ihr Blick fiel auf den Schilfgürtel, wo sie auch den See erkennen konnte.
Keine Bewegung. Selbst der Gürtel aus Rohr und Schilf stand unbeweglich.
Morgana wußte nicht, was sie noch unternehmen sollte. Es hatte keinen Sinn, jede Blockhütte einzeln zu durchsuchen. Sie würde niemanden finden, das sagte ihr das Gefühl.
Und so verließ sie das Blockhaus wieder, um sich ein Versteck zu suchen, in dem sie bis zum Hellwerden bleiben wollte. Den Geruch der Vampire vergaß sie nicht, während ihre Gedanken fieberhaft nach einer Erklärung suchten.
Als sie vor der Rückseite des Restaurants stand, um den Weg zu ihrem Nachen einzuschlagen, da glaubte sie, die Lösung gefunden zu haben oder ihr zumindest nahe gekommen zu sein.
Sie brauchte sich nur an den Angreifer zu erinnern. Es war ein Vampir gewesen, aber sie wollte auf keinen Fall akzeptieren, daß er sich nur als eine riesige Fledermaus bewegte.
Ihr Lächeln war kantig. Das konnte es sein. Tagsüber in menschlicher Gestalt, und in der Nacht geschah die Verwandlung in eine Riesenfledermaus.
So wie es bei den uralten Blutsaugern der Fall gewesen war. Morgana stieg in ihren Nachen. Er sollte ihr als Nachtlager dienen, denn dort lag sie einigermaßen geschützt. Bevor sie sich setzte, glitt ihr Blick noch hoch zu diesem eckigen, dunklen und geheimnisvollen Tafelberg.
Täuschte sie sich, oder glühte dort in einem geheimnisvollen und dunklen Rot wieder der Kreis?
Es konnte sein, mußte aber nicht.
Sie legte sich auf die feuchten Planken. Eine Verwandlung fand bei ihr nicht statt. Morgana lag da und starrte zum Himmel. Es kam ihr überhaupt nicht der Gedanke, von hier zu verschwinden. Sie wollte mehr wissen und dabeisein, wenn Assunga und ihre Blutsauger einen teuflischen Plan umsetzten. Sie hatten etwas vor. Die Falle stand, um die Werwölfe anzulocken. Einer hatte sein Leben verloren. Morgana Layton aber dachte daran, sich im Hintergrund zu halten und erst dann zuzuschlagen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war.
Ein Traum ihrerseits wäre es gewesen, Assunga zu vernichten, um sich dann Dracula II vorzunehmen…
***
Es war eine verdammt anstrengende Reise gewesen, die uns von Glasgow aus nach Norden in die Einsamkeit des wildromantischen schottischen Hochlands geführt hatte, wo die Welt beinahe noch aussah wie zu Urzeiten.
Am Airport hatten wir uns einen geländegängigen Jeep geliehen, der auch in der Lage war, schwierige Strecken zu schaffen, mit denen wir rechnen mußten.
Bill
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