0970 - Der Werwolf, die Hexe und wir
Conolly war in London geblieben, was ihm nicht gefallen hatte. Er wäre unter Umständen auch mitgekommen, hätte es bei ihm nicht einen Termindruck gegeben, dem er sich beugen mußte, denn ein Artikel war schon überfällig, und Bill hatte noch nicht einmal damit angefangen, ihn zu schreiben.
Dafür begleitete uns ein anderer Gast, Cursano, das Geschöpf des Mandragoro.
Wohl war es weder Suko noch mir dabei gewesen, aber was hätten wir machen sollen? Natürlich war eine Gestalt wie Cursano aufgefallen. Im Jet hatten sich die Mitflieger häufig nach ihm umgedreht und immer wieder nachgeschaut. Niemand war mit ihm zurechtgekommen, selbst die Stewardessen hatten eine Gänsehaut bekommen.
Cursano verhielt sich völlig ruhig. Seine Hände waren unter Handschuhen verborgen, die wir ihm gekauft hatten, und während des Flugs hatte er die meiste Zeit geschlafen, wie jemand, der völlig in sich selbst ruhte.
Ein genaues Ziel gab es nicht. Wie gesagt, wir fuhren in Richtung Norden und damit den Lennox Hills entgegen, einem Gebiet, das nur dünn besiedelt war.
Wir mußten uns schon auf Cursano verlassen, auf seinen sicheren Instinkt, denn mit einer genauen Ortsangabe konnte er nicht dienen. Er würde uns schon Bescheid geben, wenn es soweit war.
Und er wurde unruhiger während der Fahrt durch die Einsamkeit. Über Kilometer hinweg sahen wir keine Ansiedlung. Es gab kleine Orte. Die aber waren schwer zu finden, denn hier überwog die Natur. Die Hügel, die Täler, die grasbewachsenen Hänge, hin und wieder unterbrochen von kleinen Waldinseln. Aber auch die mehr oder minder großen Seen und Bäche. Sie rissen die Landschaft auf, als hätte man ihr einen Teil ihres Kleides genommen.
Über uns lag der schottische Himmel. Er bot ein besonderes Bild mit seinen hellen, beinahe schneeweißen Wolken, die sich vor einer schon unglaublichen Bläue abzeichneten. Allerdings würde dieses Bild nicht lange bleiben, denn tief im Westen fügten sich bereits dunklere Wolken zu einem regelrechten Gebirge zusammen. Um diese Zeit regnete es oft hier im hohen Norden der Insel.
Natürlich gab es Straßen. Allerdings verdienten sie eher den Namen Pisten, denn sie waren nur selten asphaltiert. Wir spürten die Unebenheiten und hofften, daß unser Wagen durchhielt.
Begrenzungen an diesen oftmals sehr kurvigen Strecken waren Mangelware, und wenn, dann stand hin und wieder ein kantiger Grenzstein am Straßenrand, der nur der Orientierung diente.
Diese Straßen konnte man sich leisten, denn in einer Gegend wie dieser gab es kaum Verkehr.
Landschaft und Sicht waren wunderbar. Wir rollten durch malerische Täler und idyllische Flußlandschaften. Hin und wieder sahen wir in der Weite des Landes riesige Schafherden. Das frische Gras schmeckte den Tieren wunderbar.
Cursano sprach wenig. Er hatte seine Handschuhe ausgezogen. Hin und wieder drückte er seine ungewöhnlichen Finger zusammen. Da Suko und ich vorn saßen, konnten wir es nicht sehen, sondern hörten nur, wenn diese schabenden Geräusche entstanden, als würde Gummi über Gummi reiben.
Suko fuhr. Er hatte sich nicht ablösen lassen wollen. Es machte ihm Spaß, aber zu schnell kamen wir nicht voran, denn immer dann, wenn die Straße wieder anstieg, wurde sie wegen der vielen Kurven unübersichtlich.
Als ich ein leises Stöhnen vom Rücksitz her hörte, drehte ich mich um.
Cursano hockte auf seinem Platz, als hätte man ihn dort angenagelt. Er starrte zwischen den beiden vorderen Sitzen hindurch und beobachtete die Strecke.
»Was hast du?« fragte ich ihn.
Er hob seine Hände, die er ineinander verknotet hatte. Das Gesicht zeigte keine Veränderung. Nur das Licht in den Augen wirkte blasser als sonst, und es schien auch tiefer in die Höhlen hineingedrückt worden zu sein. »Es ist nicht mehr weit. Ich spüre es. Ich merke, wie die fremde Kraft meine Sinne beeinflußt.« Seine Hände lösten sich voneinander und zuckten tatsächlich wie Wünschelruten.
»Kannst du dich genauer ausdrücken?« wollte ich wissen.
Ein knappes Nicken. »Ja, das kann ich. Das kann ich sehr gut.« Er deutete nach draußen. Wir fuhren wieder in die Höhe, weil wir einen weit gezogenen Hügel überwinden mußten. In der letzten Stunde war uns kein Fahrzeug entgegengekommen, so daß zumindest ich den Eindruck bekam, von dieser Einsamkeit regelrecht geschluckt zu werden.
»Hinter ihm…«
»Was finden wir da?«
»Das Tor, den Weg…«
»Wohin?«
Cursano hob die Schultern. »Ich kann es nicht genau sagen,
Weitere Kostenlose Bücher