0970 - Der Werwolf, die Hexe und wir
Krallen waren bereits ausgestreckt, sie brauchten nur zuzufassen, sich festzuhaken, dann war es so gut wie vorbei. Die Hand schnappte zu! Nicht die Klaue! Es war die Hand des Blutsaugers, der genau auf den Augenblick gewartet hatte. Er wußte, was die Werwölfin vorgehabt hatte, aber er war schneller gewesen.
Die Tat hatte Morgana Layton dermaßen überrascht, daß sie es nicht glauben wollte. Deshalb wehrte sie sich auch nicht und blieb einfach nur starr, während der Vampir keine Sekunde ungenutzt verstreichen ließ.
Mit seiner ungeheuren Kraft riß er seine Feindin zu sich heran in das enge Grab.
Plötzlich lag Morgana auf ihm. Ihre Beine klemmten irgendwo fest. Sie stierte nach vorn. Dicht unter ihrem eigenen sah sie das Gesicht des Blutsaugers, in dem die Augen plötzlich zwei Kreise bildeten, starr waren, wobei in den Winkeln noch etwas Rötliches schimmerte, als hätten sich dort Blutstropfen festgesetzt. Er hob den Kopf an. Morgana zuckte zurück. Der erste Biß verfehlte sie.
Dafür erreichte ihre Ohren ein wütendes Knurren. Zwischen ihren beiden Körpern bewegte sich seine Hand. Der Blutsauger hatte den Arm angewinkelt.
Er ließ seine Hand höher wandern, wahrscheinlich wollte er die Kehle erreichen.
Morgana griff mit ihrer Pranke. Sie hatte die Krallen gebogen, und dann riß sie die Haut auf der Hand auf wie dünnes Papier.
Kein Blut quoll hervor. Die Streifen aber blieben und füllten sich mit einer milchigen und dicken Flüssigkeit.
Morgana machte ernst. Der Platz in diesem schon für einen zu engen Grab war nichts für sie. Mit einer ruckartigen Bewegung befreite sie sich von ihrem Feind, schnellte hoch und wuchtete dabei ihren Körper zurück.
Sie hatte vorgehabt, den Vampir mit aus seinem Grab zu reißen, aber ihre Krallen waren abgerutscht. Es war auch nicht nötig gewesen, denn kaum hatte sich Morgana wieder gefangen, da folgte ihr der Untote. Er war mit steifen, aber doch sehr raschen Bewegungen aus dem Loch geklettert, blieb geduckt vor ihm stehen, breitete die Arme aus und suchte nach seinem Feind.
Morgana wartete auf ihn.
Sie fürchtete sich nicht. Einer allein konnte ihr nichts tun, er war ihr unterlegen. Sie würde ihn zerreißen, und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Der bleiche Blutsauger ging nach rechts. Die Augen im Gesicht dieser hölzern wirkenden Gestalt bewegten sich, als wären sie auf der Suche nach etwas Bestimmten. In der Nähe lagen Holzscheite. Auch das Kaminbesteck hing nicht weit von ihm entfernt. Zu ihm gehörte auch ein Schürhaken.
Morgana griff an. Sie war schnell. Die Entfernung zu dem anderen Monster überwand sie wie ein grauer Schatten, und der Untote kam nicht mal dazu, seine Arme schützend vor sein Gesicht zu halten. Die Krallen fuhren hinein. Leicht gebogen rissen sie die Haut weg, hinterließen tiefe Spuren und auch Fetzen, wo sie absetzten. Das Gesicht des Blutsaugers sah völlig entstellt aus, denn auch das linke Auge war ihm aus der Höhle gezerrt worden.
Aber er war nicht vernichtet.
Er lebte weiter.
Seine Gier ebenfalls. Und er riß in einem Reflex den Schürhaken an sich, bewegte sich nach vorn auf die wieder zurückgewichene Werwölfin zu, um sie mit der schweren eisernen Waffe zu erschlagen.
Morgana wußte, was sie sich zutrauen konnte. Sie lief direkt in den Hieb hinein. Dabei hatte sie ihre Arme in die Höhe gerissen, und sie wehrte den Schürhaken ab, denn ihre Pranken prallten gegen die Handgelenke des Blutsaugers. Er kam aus dem Konzept. Zwar konnte er den Schlag noch führen, doch der Schürhaken streifte nur die rechte Seite der Werwolf-Schulter. Ansonsten verpuffte der Angriff wirkungslos.
Morgana schrie und heulte zugleich. Sie war in ihrem Element und war rasend geworden.
Keine Chance dem anderen.
Auf ihre Kräfte konnte sie sich verlassen, und es gab eine Tötungsart, die nicht nur für einen normalen Menschen galt, sondern auch bei einem Vampir angesetzt werden konnte.
Es war der Genickbruch!
Um einen erneuten Angriff zu starten, mußte der Vampir zurück. Dazu wollte es Morgana nicht kommen lassen. Zwar hatte sich der Blutsauger von ihr lösen können und befand sich in der Rückwärtsbewegung, als die Wölfin vorsprang und zupackte.
Ihr eisenharter Klammergriff war gnadenlos. Obwohl ein untotes Wesen keine Schmerzen verspürte, machte der Blutsauger den Eindruck. Er krümmte sich, und sie heulte vor Freude auf.
Morgana Layton war jetzt kein Mensch mehr, auch kein Zwitter, sie war das absolute Tier, das darum kämpfte,
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