0970 - In Asmodis’ Schuld
und ihn zum nächsten Fehler verleitete. Mit der Dreifingerschau lotete Asmodis Tendykes momentanen Standort aus. Sein Sohn, den er im Erdmittelalter mit der Zigeunerin Elena gezeugt hatte, befand sich in seiner Villa in Florida. Tendyke saß neben dem Swimmingpool, als er auftauchte, die Beine mit den Cowboystiefeln hochgelegt, in Jeans, den Stetson ins Gesicht gezogen. Er machte gerade ein Nickerchen.
»Hallo, Sohn«, sagte Asmodis.
Tendyke tat ihm nicht den Gefallen, zu erschrecken und hochzufahren.
Stattdessen schob er langsam den Stetson nach oben.
»Hallo, Erzeuger. Was willst du? Hast du immer noch nicht kapiert, dass du hier unerwünscht bist? Ich will nichts mit dir zu tun haben.«
»Möglicherweise bin ich ja gleich wieder weg, wenn ich die Auskunft bekomme, die ich will.«
»Mal sehen. Vielleicht kannst ja du mir zuerst eine geben.«
»Was willst du wissen, Sohn?«
Tendyke setzte sich nun auf der Liege zurecht und nippte an einem Drink, den Butler Scarth ihm serviert hatte. »Nenn mich nicht Sohn. Verstanden? Weißt du, ich bin erst gestern wieder aus der Antarktis zurückgekommen, aus Wilkesland.«
»Versuchst du wieder, die Geheimnisse der Blauen Städte zu ergründen?«
Tendyke grinste schräg. »Wer weiß? Jemand scheint allerdings etwas dagegen zu haben. Als ich im Lager war, du weißt schon, das, von dem aus du mich damals mit Zamorra gesucht hast, ist plötzlich ein Geist erschienen. So richtig schön durchsichtig. Gegeben hat er sich allerdings eher undurchsichtig. Er sagte mir, ich solle die Finger von den Blauen Städten lassen, weil sonst mein Leben in Gefahr geriete. Und nun meine Frage: Kennst du solche Geister vielleicht? Versuchen die mich nur zu erschrecken? Oder steckt da mehr dahinter?«
Tendyke lächelte nun. »Weißt du, seit Merlin tot ist, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das mit dem Übergang nach Avalon noch so funktioniert wie vorher. Irgendwie schaue ich jetzt mehr auf meine Unversehrtheit. Möglicherweise bin ich nämlich künftig für immer tot, wenn ich sterbe. Keine Rückkehr mehr und so.«
»Womit wir doch gleich bei meinem eigenen Anliegen wären.« Asmodis rieb sich die Hände. »Vorausgeschickt: Ich kenne diese Geister nicht, habe noch nie einen gesehen oder von einem gehört. Da muss ich dich also enttäuschen. Vielleicht könntest du mir aber erzählen, was du über Avalon weißt. Was siehst du, wenn du dort bist?«
»Warum willst du das wissen?«
»Ich war auch eine Zeit lang dort, konnte aber die Herrin vom See nie zu einem Rendezvous bewegen. Bist du ihr vielleicht schon mal begegnet?«
»Ah, daher weht der Wind. Aber ich muss dich ebenfalls enttäuschen. Immer wenn ich wieder auf die Erde zurückkomme, verschwinden sämtliche Erinnerungen an die Apfelinsel. Ich weiß nur, dass die Regeneration verdammt unangenehm ist. Mehr kann ich dir nicht sagen. Und ich bin auch nicht sicher, ob ich das überhaupt möchte.«
»Sagtest du gerade Apfelinsel?«
»Ja, Apfelinsel. Das Wort Avalon…«
»… stammt vom kymrischen Abal, was Apfel bedeutet, ab. Jetzt weiß ich es wieder. Neuwalisisch heißt es Afal.«
Asmodis verabschiedete sich nach Caermardhin. Es beunruhigte ihn, als er an die neu gewonnenen Erkenntnisse dachte. Er hatte Avalon, die Apfelinsel, als finsteren, Seelen verschlingenden Moloch wahrgenommen. War mit dem Dunklen Apfel etwa Avalon gemeint?
Welches Geheimnis hütete dann die Herrin vom See?
Asmodis lief es eiskalt über den Rücken, als er an die Zukunft dachte.
ENDE des Zweiteilers
[1] Diese Ereignisse sind detailliert in Band 916 »Zamorras größter Schock« von Christian Schwarz nachzulesen.
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