0971 - Ein Galgen für Morgana
stärker. Da hatte ich die Stange losgelassen und mich selbst hineingeworfen.
Morgana lag auf dem Rücken. Sie hatte in dieser Haltung nicht bleiben wollen. Dazu wurde sie gezwungen, als ich auf sie fiel und sie wieder auf die Planken preßte.
Ich ließ ihr kaum Bewegungsfreiheit. Mein Gewicht preßte sie fest. Dabei hatte ich den Eindruck, als wären die Planken so weich, daß sie irgendwann brachen.
Sie versuchte sich zu wehren. Aus kurzer Distanz starrten wir uns in die Augen. Für einen Moment verschwamm die Realität. Ich dachte weit, sehr weit zurück und dabei an das erste Kennenlernen, wo ich es versäumt hatte, sie aus dem Weg zu räumen. Da waren meine Skrupel einfach zu groß gewesen. In der Folgezeit hatte sie mir einigen Ärger bereitet, denn sie war zu einer starken Partnerin des Götterwolfs geworden.
Jetzt aber hatte ich sie.
Und sie lag in ihrer menschlichen Gestalt unter mir. Es hätte auch anders kommen können, denn ich kannte sie ebenfalls als eine gefährliche und blutgierige Bestie.
Sie lag plötzlich still. Kein Wehren mehr. Nur das Starren in mein Gesicht.
Es war auch still geworden, abgesehen von meinen heftigen Atemzügen. Die Schmerzen im Rücken und das Brennen in meiner Schulter spürte ich wieder deutlicher, ignorierte es allerdings, denn einzig und allein Morgana war wichtig. Sie würde mir einiges zu erklären haben, doch das hatte noch Zeit.
»Du packst es nicht!« flüsterte ich ihr scharf zu. »Du hast verloren, Morgana.«
Sie schwieg. Nur ihre Augen bewegten sich. Sie hatten den kalten Ausdruck eines Raubtieres verloren und kamen mir sogar menschlich vor mit ihren braunen Pupillen. Beide waren wir naß bis auf die Haut. Keiner aber dachte ans Aufgeben.
Hinter mir platschte jemand durch das Uferwasser. Ich brauchte nicht hochzukommen und mich umzudrehen, denn ich wußte, daß mich Suko endlich erreicht hatte.
»Du wirst uns einiges zu erzählen haben!« zischte ich in Morganas Gesicht. »Darauf kannst du dich verlassen.«
Suko hatte das Boot erreicht. Ich drückte mich in eine kniende Stellung und wischte das Wasser sowie dünnen Uferschlamm aus meinem Gesicht. Dann nickte ich meinem Freund zu. »Hol sie dir, Suko!«
»Was ist mit dir?«
Ich winkte müde ab. »Ich habe etwas mitbekommen. Ist aber nicht weiter tragisch.« An der anderen Seite des Nachens kletterte ich wieder in den dünnen Uferschlamm und in das Dickicht aus Rohr und Schilf.
Suko zerrte Morgana hoch. Sie wehrte sich nicht, schüttelte sich nur und schrie ihn an, daß er sie loslassen sollte, sie würde schon allein mitkommen.
»Das will ich dir auch raten. Wenn nicht, ist meine Kugel schneller als dein Gedanke.« Suko paßte auf, als sie aus dem Kahn kletterte. Ihre Bewegungen waren jetzt nicht mehr so kraftvoll. Morgana wirkte müde und ausgelaugt. Daran aber wollte ich nicht glauben. Morgana gab nie auf. So etwas paßte nicht zu ihr.
Beide waren wir von oben bis unten naß. Zum Glück hatten wir Ersatzkleidung mitgenommen. Die halbe See- und Uferfauna klebte an meinen Klamotten. Die Stange hob ich an und legte sie zurück in den Nachen.
Ich ließ mir noch ein wenig Zeit, da ich meine Gedanken ordnen wollte.
Zurecht kam ich noch nicht. In der Hütte hatte der kopflose Vampir gelegen. Für mich gab es keinen Zweifel, wer seine Mörderin gewesen war. Ich nahm es hin, es gab keine andere Möglichkeit. Aber die große Frage blieb. Woher waren die beiden Blutsauger gekommen? Und wie viele von ihnen existierten noch in weiteren Verstecken?
Darauf eine Antwort zu finden, war nicht leicht. Morgana würde uns einfach helfen müssen. Das war auch in ihrem Sinne. Denn mit Sturheit kam sie nicht weiter.
Ich tappte durch das Wasser zurück ans Ufer. Dort wartete auch Cursano. Wäre er ein Mensch gewesen, hätte es ihn längst nicht mehr gegeben, aber er war anders, und auf seine Rolle in diesem dämonischen Spiel war ich ebenfalls gespannt…
***
Ich hatte mich in der Hütte umgezogen, in der auch der kopflose Vampir lag. Obwohl es ziemlich makaber war, hatten wir sie zu unserem Hauptquartier erkoren. Der vernichtete Blutsauger war zugedeckt worden. Er befand sich noch nicht im Stadium der Auflösung, demnach hatte er zu den jüngeren Vampiren gehört.
Richtig trocken war ich nicht geworden, aber die frische Kleidung war schon etwas wert. Suko hatte Feuer im Kamin machen wollen, dann aber darauf verzichtet. Es hätte zu lange gedauert. Aus dem Lebensmittelladen hatte er uns dafür einen inneren
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