Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0975 - Burning Man

0975 - Burning Man

Titel: 0975 - Burning Man Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Klüver und Simon Borner
Vom Netzwerk:
Hand war sein Handy. Das TI-Alpha, das wider jedes Erwarten kaputt gegangen war. »Damit?«, fragte er gequält.
    Im Gang des Zellentraktes prustete jemand los. Es war der Schnauzbärtige von der Bürotheke, wie Zamorra nun erkannte. Livelys Kollege musste sich hergeschlichen haben, um sich den »Wir verarschen den Gefangenen«-Spaß nicht entgehen zu lassen. »Köstlich, köstlich«, stieß er kichernd hervor und schlug Lively jovial auf die Schulter. »Sie hätten mal Ihr Gesicht sehen sollen, Mister. Ab-so-lut unbezahlbar.«
    Zamorra atmete tief durch und zählte in Gedanken bis zehn. Das half, den kleinen Wutanfall niederzukämpfen. »Darf ich dann vielleicht Ihr Telefon benutzen?«, fragte er betont.
    »Ist kaputt«, log Schnauzbart wie aus der Pistole geschossen. »Die Festnetzleitungen sind gestört.«
    »Ihr Handy?«
    »Hab nie eins besessen. Ann hier auch nicht.«
    Es war zum aus der Haut fahren. »Und ich schätze, wenn ich Sie bitten würde, mich mittels Funk, Fax oder Internet mit meiner Kollegin Miss Duval zu verbinden, hätten Sie auch dafür ein paar Gründe parat, die es unmöglich machen.«
    Schnauzbart konnte nicht länger an sich halten. »Sonnenflecken!«, wieherte er. Dann bog er sich vor Lachen und hielt sich den beträchtlichen Bauch.
    »Das genügt, Mal«, sagte Lively sanft, aber entschieden, und bugsierte ihren Kollegen in Richtung Tür. »Du hattest deinen Spaß. Jetzt zurück zur Arbeit.« Auf der Schwelle hielt sie inne und sah Zamorra noch einmal an. »Nehmen Sie’s leicht, Monsieur: Hier in Black Rock City dient eine Verhaftung nur der Abschreckung, als Disziplinarmaßnahme. In vier Stunden sind Sie wieder auf freiem Fuß. Dafür lohnt sich kein Anruf beim Anwalt. Zumal Sie ja fraglos schuldig sind.« Sie zwinkerte gar nicht mal unsympathisch. »Wenn Sie meinen Rat wollen: Tun Sie, was alle tun müssen, die hier bei uns landen. Sitzen Sie’s einfach aus.«
    Dann waren sie und Schnauzbart-Mal fort, und die Tür zum Bürobereich fiel hinter ihnen ins Schloss.
    Aussitzen. So ein Unfug. Klar konnte Zamorra die Ruhepause sehr gut brauchen, um zu regenerieren und neue Kraft zu sammeln. Aber er konnte sie sich nicht leisten. Nicht, wenn er verhindern wollte, dass noch mehr Unschuldige diesen Wüstenteufeln zum Opfer fielen - ganz zu schweigen von den in komaähnlichen Zuständen gefangenen Menschen drüben in Vegas, deren Schicksal ebenfalls davon abzuhängen schien, was er hier erreichte. Momentan verhielt sich der mysteriöse Burning Man allem Anschein nach ruhig - zumindest hatte Zamorra nicht gehört, dass sich in den zwei Stunden seit seiner Verhaftung etwas ereignet hätte. Aber wer wusste schon, wie lange diese Ruhe anhielt?
    Vier Stunden? Möglich. Aber war es auch wahrscheinlich? War es etwas, worauf er zu setzen bereit war? Nein. Auf gar keinen Fall.
    Der Meister des Übersinnlichen trat zu dem kleinen Fenster oberhalb der Toilette und blickte durch das Gitter ins Freie. Die überwiegende Mehrheit der Festivalteilnehmer schien inzwischen wach zu sein. Feiernde Gestalten aller Formen und Kostümierungen schlenderten in kleinen Gruppen die staubigen Trampelpfade zwischen den einzelnen Campingparzellen entlang, staunten über den Auftritt und die selbst gezimmerten Behausungen der jeweils anderen, prosteten einander fröhlich mit ihren Frühstücksbieren zu. Gesprächsfetzen und Musik wehten bis zu Zamorra herüber. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, wies das Fenster in südwestliche Richtung. In Richtung Vegas.
    Ich hoffe, du kommst dort hinten besser voran, Nicole. Im Moment wärst du die Einzige von uns, die in dieser eigenartigen Sache überhaupt Boden gut macht.
    Dann ging das Licht aus, und mit ihm schwand der Lärm.
    ***
    Was in aller Welt »Hey! Hey, was soll die Scheiße?«
    Zamorra ignorierte Schnauzbart-Mals wütenden Ausruf, der von jenseits der Trakttür erklungen war, und spähte weiter durchs Fenster. Draußen herrschte völlige Dunkelheit, von einem Moment auf den anderen. Als hätte irgendwo jemand einen Schalter umgelegt, war das Licht der Morgensonne auf einmal verschwunden - und sämtliche Geräusche der Feiernden mit ihr!
    Es war still. Totenstill.
    »Hallo?«, rief er in die bizarre Nacht hinein. »Ist da jemand?«
    Keine Reaktion. Die jungen Menschen, die eben noch über den Pfad hinter dem Container gezogen waren, schienen von der Schwärze verschluckt zu sein. Auch die Straßenlampen, die in der vergangenen Nacht das Gelände erhellt hatten, blieben aus.

Weitere Kostenlose Bücher