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0977 - Gefahr für die Blaue Stadt

0977 - Gefahr für die Blaue Stadt

Titel: 0977 - Gefahr für die Blaue Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred H. Rückert und Simon Borner
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fort.
    Und so wucherte das Sauergras über alles, was nicht fest genug war. Regelrechte Felder voller Binsenschneide standen in voller Blüte, nur durchzogen von gelegentlich in der Abendsonne auf blitzendem Wasser, das hier draußen nicht nur die Grundlage allen Lebens bildete, sondern es schlicht dominierte. Mangroven, prächtige Königspalmen, Zypressen und Gumba-Limbo-Bäume ragten hier und da in den blauen, von wenigen Wolken durchzogenen Himmel. Grillen zirpten, und wenn sich Buraal ganz stark darauf konzentrierte, konnte er sogar die Alligatoren spüren, die dort draußen im Sumpf träge vor sich hin dösten.
    Er liebte es zu spüren. Bei keiner anderen Gelegenheit fühlte er sich der Welt der Menschen so nah, als wenn er sich mental in ihre Bewohner versetzte. Es war nur ein kleines Talent und zu wenig mehr als seinem eigenen Zeitvertreib nütze, aber es blieb eines, das ihm gehörige Freude bereitete, wann immer er sich seiner bediente. Leider kam dies viel zu selten vor. Als es noch die Hölle gab, hatten es die Mächtigen einem so niederen Dienerwesen wie ihm nicht oft erlaubt, sich unbeaufsichtigt in diese Sphäre zu begeben. Und heutzutage bedurfte er gewisser… Handlungsfreiheiten, wie sie nur ein Auftrag höherer Kreaturen mit sich brachte, um ungestraft spüren zu können.
    Buraal atmete tief durch und klappte das Mobiltelefon zu, das er in der Klauenhand gehalten hatte. Hier draußen, wo sich höchstens noch Alligatoren »Gute Nacht« sagten, brauchte er sich nicht hinter der Fassade eines menschlichen Äußeren zu verstecken. Hier konnte er - zumindest vorerst -sein, was er wirklich war. Auch das machte die Mission, die zu erfüllen die atemberaubend schöne Frau mit den Hörnern ihm aufgetragen hatte, zu einem Vergnügen sondergleichen.
    »Beeilt euch, Nicole«, wiederholte er - abermals im Tonfall dieses Lafittes, den nachzuahmen er die vergangenen Minuten genossen hatte. »Ich mag mich irren, aber… Wenn ich ehrlich sein soll, bezweifle ich es. Und falls ich nicht irre, mögen uns alle Götter beistehen!«
    Leise kichernd holte er aus und schleuderte das Handy von sich. In hohem Bogen flog es von der Veranda über das Meer aus Gras und landete mit einem verhaltenen Platschen irgendwo im Wasser - unauffindbar. Es hatte seinen Zweck erfüllt, wusste Buraal, und wurde nicht mehr gebraucht.
    Ab hier würde er selbst übernehmen. Ohne technische Hilfsmittel.
    Ganz so, wie es Stygia von ihm erwartete.
    Ein letztes Mal ging er im Geiste die Details seines Plans durch, wanderte in seiner Fantasie durch die Zimmer des wohl aus Prohibitionszeiten stammenden, verfallenen Anwesens hinter ihm. Waren die Fallen präpariert? Würden sie zuschnappen, wie sie es sollten? Und würden sie ebenso gnadenlos sein wie er selbst?
    Es gab nur eine Antwort auf all diese Fragen. Buraal wusste es. Sie bestand aus einem Wort mit zwei Buchstaben. Er hatte seine Hausaufgaben wahrlich gemacht.
    Einige Sumpfvögel schnatterten in den Wipfeln der hohen Bäume, die das Anwesen umgaben und ihm Schatten spendeten. Er sah zu ihnen hinauf, kniff die Lider enger zusammen. Tatsächlich - dort auf einem Mangrovenast saß ein besonders farbenfrohes Exemplar. Buraal fokussierte seinen Geist auf das gefiederte Wesen, drang ebenso mühelos wie genießend in dessen Bewusstsein vor, wurde ein Teil des Tieres. Dann streckte er in seinem Realkörper den rechten Krallenarm aus, bildete eine Faust, ließ sie nur kurz nach links wegzucken…
    ... und das Hirn des bunten Sumpfvogels explodierte schmatzend in dessen Schädel! Glibberige Materie, zartdünne Schädelknochen und zerfetztes Gefieder flogen in alle Richtungen hinweg.
    Aufgeschreckt und spürbar ratlos suchten die anderen Vögel das Weite. Buraal hörte ihr Gezwitscher und das Flattern ihrer erbärmlich kleinen Flügel - kein Vergleich zu den Schwingen der Dämonin - noch, als er seinen eigenen Geist wieder in seinen Realkörper geführt hatte.
    Ein leichter, schwülwarmer Wind kam auf - gerade rechtzeitig, um Buraals böses, begeistertes Lachen über die Sumpfgrasmeere hinwegzutragen.
    Noch in den entlegensten Bayous des Everglade Nationalparks hörten es die Hobbyfischer in ihren kleinen Motorbooten. Sie hörten es nicht mit den Ohren, wohl aber mit dem Instinkt. Und sie ließen von ihren Rotbarschen und extrem silbrig glänzenden Tarpunen ab, sahen einander ebenso fragend wie ratlos an - und beschlossen dann, an diesem Abend früher als sonst den sicheren Heimathafen aufzusuchen.
    Nur

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