098 - Der Kerkermeister
keine Antwort. Ist etwas Ungewöhnliches geschehen, Coco?"
„Nein", log Coco.
„Das verstehe ich nicht. Sein Puls und sein Herz schlagen wie verrückt. Ich gab ihm ein Schlafmittel. Er wird einige Stunden ruhig schlafen."
„Wann können wir ihn in die Jugendstilvilla bringen?" fragte Unga.
„Am Abend", antwortete der Arzt. „Ich komme um zwanzig Uhr mit einem Krankenwagen vorbei. Sind Sie damit einverstanden?"
„Ja", sagte Coco.
„Warum sollen wir so lange warten?" fragte Unga.
„Es ist besser für ihn, wenn er jetzt einige Zeit ruhig schläft. Auf dem Transport könnte er aufwachen."
„Herzlichen Dank, daß Sie gekommen sind, Doktor", sagte Coco und begleitete McClusky zur Tür. „Wir müssen einige Dämonenbanner aufstellen", sagte Unga.
Coco hatte nichts dagegen. Rings um Dorians Bett brachten sie Dämonenbanner an. Unga und Coco wechselten stündlich die Wache. Fred Archer hatte sich in eines der Gästezimmer gelegt.
Fünf Minuten vor acht Uhr traf McClusky mit einem Krankenwagen ein. Der Dämonenkiller schlief noch immer. Doch er sah jetzt frischer aus. Seine Wangen hatten etwas Farbe bekommen, und sein Herz- und Pulsschlag war normal.
Die Sanitäter trugen Dorian zum Krankenwagen. McClusky und Coco blieben bei dem Schlafenden, während die Sanitäter im Fahrerhaus Platz nahmen.
Unga, Abi Flindt und Fred Archer folgten im Wagen des Privatdetektivs.
Der Krankenwagen fuhr langsam los. Es regnete leicht, und gelegentlich zogen Nebelschwaden über die Straße.
Archer fuhr dicht hinter dem Krankenwagen. Unga saß neben ihm und blickte sich immer wieder nach allen Seiten um.
Nach wenigen Minuten Fahrt stellten sich seine Nackenhaare auf. Er witterte Gefahr. Seine Nasenflügel bebten.
„Coco", flüsterte er leise. Er hatte genau aufgepaßt, doch er wußte nicht, ob sie den Fahrer hypnotisiert hatte. Unga traute der Gefährtin des Dämonenkillers nicht. Sie wollte verhindern, daß Dorian mit ihm ging, und sie würde sicherlich alles daransetzen, um den Dämonenkiller in ein Versteck zu bringen, wo er ihn nicht finden konnte.
„Was ist mit Coco?" fragte Abi Flindt.
„Schließen Sie dichter auf, Archer!" befahl der Steinzeitmensch.
Archer gehorchte. Er fuhr drei Meter hinter dem Krankenwagen.
„Ich wittere eine Gefahr", sagte Unga eine Minute später. „Habt ihr Waffen bei euch?"
„Ja, eine Pistole", antwortete Archer.
„Ich ebenfalls", sagte Abi Flindt.
Der Nebel wurde dichter. Der Krankenwagen war nur schemenhaft zu sehen. Er bog in die Peckham Road ein, und Archer folgte ihm.
„Näher ran, Archer!" zischte Unga. „Blinken Sie den Krankenwagen an. Der Fahrer soll anhalten!" „Er wird mich nicht sehen, Unga."
„Dann überholen Sie ihn. Er muß stehenbleiben. Ich spüre, daß etwas nicht stimmt. Irgendeine Gefahr lauert auf uns. Ich täusche mich nicht."
„Ich kann ihn nicht überholen. Der Nebel ist dicht wie eine Erbsensuppe. Ich sehe kaum drei Meter weit. Wenn uns ein Auto entgegenkommt, erleben wir einen Frontalzusammenstoß."
„Gehorchen Sie mir, Archer!" knurrte Unga wütend.
„Kommt nicht in Frage, Unga. Ich bin nicht lebensmüde."
„Dann fahren Sie noch näher ran."
„Näher heran kann ich nicht. Der Krankenwagen braucht nur plötzlich zu bremsen, und ich ramme ihn."
„So verstehen Sie doch, Mann! Wir fahren in eine Falle."
„Coco müßte auch etwas davon merken", warf Abi Flindt ein.
„Wahrscheinlich ist sie zu sehr auf Dorian konzentriert und merkt nichts."
„Wir hätten den Krankenwagen mit Dämonenbannern sichern sollen", meinte Abi.
„Auf der nächsten Kreuzung, vor der wir stehenbleiben müssen, steige ich aus. Wir fahren so langsam, daß ich mitlaufen kann."
Kurz bevor sie die Clayton Road erreichten, schoß plötzlich ein alter Mercedes aus einer Garagenausfahrt und raste auf Archer zu. Der Privatdetektiv riß seinen Wagen herum, doch es war zu spät. Der Mercedes donnerte gegen das linke hintere Rad, verbeulte den Kotflügel und schleuderte Archers Wagen zur Seite.
„Verflucht!" brüllte Unga und riß die Wagentür auf. Er sprang auf die Straße. Von dem Krankenwagen war nichts mehr zu sehen. Unga nahm sofort die Verfolgung auf.
Seine Augen waren schärfer als die gewöhnlicher Menschen. Doch auch er war nicht in der Lage, mehr als zehn Meter zu sehen. Er lief die Straße entlang. Deutlich spürte er eine starke dämonische Ausstrahlung.
Eigentlich hätte er den Krankenwagen schon längst einholen müssen. Doch er hörte keine
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