098 - Horrortrip ins Tal der Toten
für sich allein. Wieso letzte Stunde? Fühlen Sie sich krank?“
„Sie gefallen sich wohl sehr als Held. Wir sind verloren. Alle. Es gibt kein Entkommen. Wollen Sie dem nicht ins Auge schauen?“
„Reden Sie keinen Unsinn! Madeleine, setzen Sie sich. Mokka? Er ist gut. Und Sie, Herr von Laydell, sollten sich Ihre forsche Haltung nicht fürs Sterben vorbehalten. Vorhin, als ich Ihre Hilfe brauchte, hätte ich Sie mir etwas ruhiger gewünscht.“
Erdmann erwiderte nichts. Aber sein Blick war haßerfüllt. Er drehte sich um und verließ die Küche.
Roussand, der am anderen Ende des Tisches saß, lächelte. „Ein komischer Typ.“
Madeleine schenkte sich ein. „Daß er mich mit Blicken auszieht, wenn er vor Angst nicht gerade schlottert, ist übel genug. Aber wenn er jetzt noch die Hände zu Hilfe nimmt.“
„Ich bin ja bei Ihnen.“ Henry zog seine Shagpfeife aus dem Tabakbeutel. „Zum Teufel, wir brauchen Kontakt mit der Außenwelt. Was für Möglichkeiten gibt es da, Doktor, wenn das Telefon ausfällt?“
„Über Strom verfügen wir. Ein Funkgerät wäre recht hübsch. Aber ich bezweifle, daß Herr von Laydell eines hat. Fesselballon scheidet aus. Für Rauchsignale ist die Gegend zu einsam. Alpine Notsignale dringen nicht weit genug. Aber ein tüchtiger Bergsteiger könnte über den verschütteten Eingang kraxeln.“
„Falls die Untoten ihn durchlassen.“
Roussands Blick wurde nachdenklich. Er zog an seinen Fingern, daß die Gelenke knackten, „Dieser Korniff – darüber gibt es für mich keinen Zweifel mehr – ist intelligent. Der kriegt es fertig, die anderen zu organisieren. Vielleicht bewaffnen sie sich. Vielleicht, Moment mal! War Korniff nicht auch Bergführer?“
„Allerdings. Sie meinen … In den Häusern unten, das weiß ich, gibt es alles, was ein Bergsteiger braucht: Seile, Hammer, Pickel, Steigeisen, überhaupt alle Kletterhilfen. Und für einen, der es kann – was sind da 40 oder 50 Meter steile Wände? Wenn Korniff und seine Kerle plötzlich über die Schloßmauer klettern, ist unter den Leuten hier die Panik perfekt.“
„Wir sollten Öl sieden“, unkte Roussand, „und die Steinschleudern bereitstellten. Wohin tritt oder schlägt man einen Untoten im fairen Zweikampf?“
Madeleine schob ihre Tasse von sich. „Wenn ihr so weiter redet, kann ich nicht mal mehr Kaffee trinken. Himmel, wäre ich in Versailles geblieben! War das ein Job! Als Fremdenführerin und umschwärmt von Touristen.“
„Sie hat aber die Trinkgelder nicht versteuert“, sagte Henry zu Roussand.
„Alte Petze!“ Madeleine lehnte sich an den Elektroherd. Sie sah müde aus. Jedenfalls um die Augen. Auch der Aprikosenteint war ein wenig blasser geworden.
Henry unterdrückte den Impuls, sie schützend in die Arme zu nehmen. Er stand auf. „Ich seh´ mich draußen um. Meine beste Zeit war schon immer nach Mitternacht. Außerdem wird es in einigen Stunden hell. Sollten die Untoten heraufklettern, stoßen wir sie von der Mauer.“
„Wir?“ fragte Roussand skeptisch. „Ich mache mit. Eine Handvoll Männer wird sich vielleicht überwinden. Die übrigen dürfen Sie abschreiben. Die sehen ihr Heil im Verstecken.“
Henry nickte. An der Tür blieb er stehen. „Habt ihr schon darüber nachgedacht? Wie es hier auch ausgehen mag: Schloß Laydell wird weltberühmt. Ein Wallfahrtsort für Horrorbegeisterte. Wie ich unseren Chef Lecourbe kenne, macht der mit Erdmann von Laydell einen Zehnjahresvertrag.“
„Falls es den Schloßherrn dann noch gibt“, meinte Roussand.
Mit Morgenstern und Taschenlampe schritt Henry die Burgmauer halbstündlich ab. Er konnte nichts Verdächtiges entdecken. Er hörte nichts, kein Kratzen am Fels, kein Bohren, kein Hämmern. Seiner alpinistischen Fähigkeiten entsann sich Jonas Korniff offenbar noch nicht.
Um Viertel nach zwei prüfte Henry zum fünften Mal die Barrikade am Tor. Alles war in Ordnung. Der Citroen sah allerdings nach Totalschaden aus. Er lief als Firmenwagen. Grinsend dachte Henry daran, wie sich die Kaskoversicherung wohl verhalten würde, wenn man ihr mitteilte: Wagen von untoten Monstern zerstört.
„Henry!“
Madeleine stand in der Tür des Landgrafenhauses.
„Was ist denn los?“
Sie zitterte vor Aufregung. „Vielleicht unsere Rettung. Im Rittersaal sind die meisten Gäste zwar eingenickt. Aber einige werden von der Furcht wachgehalten. Ich unterhielt mich mit Dorfbewohnern. Ein junger Bursche – stellen Sie sich das vor, Henry, hat ein
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