0986 - Das Ende der Sternenstadt
Kategorien aber hätten eher die Meditationsphasen versäumt, als sich mit einem Spaltling einzulassen.
Thezein fühlte sich sicher und hätte sich seines absonderlichen Lebens freuen können, wäre nicht diese Sehn-sucht in ihm gewesen. Draußen, außerhalb von Art’Yschall, war der riesige, weite Kosmos mit seinen Sterneninseln, und jede einzelne Insel war erfüllt von Leben - Leben in festen Formen, fremd und faszinierend, das Gefühle verschleuderte, die so wild waren, daß Thezein manchmal bei einem solchen Kontakt meinte, geradewegs in Treibvaters heißes Herz geraten zu sein.
Irgendwann, so schwor er sich, würde er die Ebene der Schnellfüßigen verlassen und an die äußersten Grenzen von Art’Yschall reisen, um zu sehen, ob es nicht irgendwo eine Möglichkeit gab, die Sternenstadt zu verlassen.
Viele Treibimpulse lang träumte Thezein von diesem Vorhaben, aber je länger er träumte, desto sicherer schien es, daß er keinen seiner Pläne jemals: in die Tat umsetzen wurde. Es trat etwas ein, womit er nicht gerechnet hatte.
Als er sich einmal zur Sternenstaubbrücke begab, um wenigstens einmal vorsorgend, wie er dachte - den Weg zu erkunden, da geschah mit ihm etwas .Ungeheuerliches. Er setzte gerade den ersten Fuß auf die weite, geschwungene Bahn, die Augen fest auf den Mond der Wasserbewohner gerichtet, entschlossen, sich wenigstens bis zur Mitte der Brücke hinüberzuziehen, da überkam ihn etwas, was ihm fremd und doch nur zu vertraut war - er hatte Angst! Er, ein Bürger von Art’Yschall, der vor seinen Begegnungen mit den fremden Bewußtseinen nicht einmal gewußt hatte, daß es solche Gefühle gab, fühlte seine vier dünnen Beine zittern vor Furcht. Er zog sich so hastig zurück, daß er fast mit einem Bürger zehnfachen Gehalts zusammengestoßen wäre.
Der Schrecken saß tief. Thezein wagte sich lange Zeit nicht mehr in die Nähe der Brücke und verbrachte die Dauer eines halben Treibimpulses mit der Erforschung seines Verstandes. Er untersuchte seinen Geist so gründlich, wie es ihm nur möglich war, und stellte bestürzt fest, daß er sich mit den Gefühlen der Fremden regelrecht infiziert hatte.
Das war fatal. Und nun hatte Thezein tatsächlich Grund, sich zu fürchten - auch wenn er ein Bürger von Art’Yschall war, oder gerade deswegen. Die Furchtlosigkeit derer, die in der Sternenstadt lebten, resultierte aus der Gewißheit, unsterblich zu sein. Ihre Körper mochten vergänglich sein, aber ihre Bewußtseine lebten ewig. Spätestens bei einer Verschmelzung wurden viele Komponenten der jeweiligen Hüllen vernichtet, aber die in diesen Hüllen lebenden Bewußtseine gingen in den neuen, gemeinschaftlichen Körper über, und fiel wirklich einmal ein Bürger einem Unfall zum Opfer, was so gut wie nie vorkam, so ging auch er nicht verloren.
Das alles aber traf nur auf Bewußtseine zu, die in die Gemeinschaft paßten. Thezein kannte niemanden, der diese Anforderung nicht erfüllte - bis auf sich selbst.
Er weigerte sich, eine Verschmelzung einzugehen, und er hatte, ohne es zunächst zu merken, das Ziel aller Bürger aus den Augen verloren. Das waren Fehler, die sich notfalls irgendwie wieder beseitigen ließen. Die Infektion aber konnte er aus eigener Kraft nicht rückgängig machen, und sich an andere zu wenden war zwecklos.
In Art’Yschall, der Sternenstadt auf der Reise zu einem Endpunkt, konnte man keine irgendwie infizierten Bürger dulden. Wenn man dahinterkam, was mit Thezein geschehen war, dann würde man ihn auslöschen, und zwar für immer.
Thezein hockte wie betäubt vor dem halbfertigen Bildnis eines absurd ausschauenden Fremdwesens und fand, daß sein Verständnis für diese Kreaturen sich gewaltig vertieft hatte. Ihre Angst vor dem Tod war ihm nun kein Symbol für ihre Fremdartigkeit mehr. Im Gegenteil, er fühlte sich diesen sterblichen Geschöpfen in einer Weise verbunden, als gehöre er zu ihnen.
Als Thezein noch damit beschäftigt war, sich an diese ungewohnte Furcht zu gewöhnen, tauchte ein Spaltling auf, der ihm bis auf die Ietzte Komponente glich. Der andere hätte sich keinen ungünstigeren Zeitpunkt aussuchen können.
„Ich möchte mit dir verschmelzen!" rief der Spaltling.
Thezein starrte den anderen benommen an und suchte nach einem Ausweg, aber es gab keinen mehr. In ganz Art’Yschall konnte es keinen idealeren Verschmelzungspartner für ihn geben als diesen. Nicht nur ihre Komponenten glichen sich, sondern offensichtlich waren auch ihre Bewußtseine
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