0986 - Das Ende der Sternenstadt
sonderten hier und da etwas von ihrer Biomasse ab und ließen einen grünen Teppich von eßbaren Pflanzen hinter sich entstehen, auf daß die Bürger nicht eines Tages mangels anderer Nahrungsquellen gezwungen wären, sich gegenseitig zu „assimilieren".
Viele Jahre vergingen, ohne daß das Ziel der Reise zu einem Endpunkt erkennbar geworden wäre. Die Bürger machten sich deswegen keine Sorgen, denn bevor sie sich dem Endpunkt näherten, mußten sie ohnehin noch viel für ihre Vollendung tun.
Noch vor dem Start hatten sie festgestellt, daß einige von ihnen infolge des Übermaßes an Lebensenergie die sie in sich aufgenommen hatten, regelrecht vergeistigten. Einige Teile ihrer Körper lösten sich in nichts auf, andere wurden halb durchsichtig, und daß dies keine optische Täuschung war, ließ sich leicht beweisen: Das Gewicht der Betroffenen verringerte sich drastisch. Sie schwebten nicht nur buchstäblich in höheren Sphären, sondern gelangten zu tiefen, bedeutsamen Erkenntnissen. Unter anderem fanden sie heraus, daß es für alles Leben einen „Endpunkt" gab, an dem die in diesem Universum mögliche Evolution vollendet sein mußte. Und dieser Endpunkt, so behaupteten die Weisen, lag nicht irgendwo in der Zeit, sondern im Raum verborgen. Durch den Endpunkt, so sagten die Weisen weiter, konnte man zur nächsthöheren Stufe vordringen, zum Beginn einer Evolution, deren Art und Ziel sich allerdings nicht einmal die klügsten der Vergeistigten vorzustelIen vermochten.
Immerhin konnten sie eines mit Sicherheit behaupten: A1les Leben, das für sein Bestehen noch auf die I5xistenz eines auch nur halbstofflichen Körpers angewiesen war, war vom diesseitigen Ende der Evolution zu weit entfernt, um den Endpunkt durchdringen zu können.
Das Ziel der totalen, kollektiven Vergeistigung sämtlicher Bürger von Ysch samt der in ihnen erhaltenen Extrakte der einheimischen Flora und Fauna war somit beschlossene Sache. Die große Reise begann.
Um die erste Stufe der Entstofflichung zu erreichen, mußten die Bürger zunächst ihren Gehalt an Lebensenergie erhöhen. Das ließ sich am einfachsten dadurch erreichen, daß man das umhertreibende Bewußtsein eines Bürgers einfing, der aus irgendeinem Grund seinen Körper verloren hatte die Bürger hatten damals bereits eine Stufe erreicht, an der zwar ihre Körper noch sterblich waren, ihre Bewußtseine sich aber nach dem leiblichen Tode nicht mehr mit unbekanntem Ziel verflüchtigten, sondern geduldig in Art’Yschall warteten, um sich im Fall der Vollendung des Volkes von Ysch dessen geistigem Extrakt einfügen zu können.
Da es der Traum eines jeden Bürgers war, sich mit einem halb entstofflichten Körper präsentieren zu können, hätte es für sie nahegelegen, der Bildung „freier" Bewußtseine nachzuhelfen, indem sie sich gegenseitig entleibten. Aber die Bürger hatten viel zuviel Achtung vor jeder Art von Leben, als daß sie auf einen so scheußlichen Gedanken gekommen waren. Statt dessen verfielen einige Individuen auf die Idee, das in ihnen bestehende Mißverhältnis zwischen Körpermasse und Energiegehalt aufzubessern, indem sie Teile ihres eigenen Körpers wegassimilierten. Ab und zu führte das zum gewünschten Erfolg, aber weit häufiger geschah es, daß der total ausgezehrte Körper das Zeitliche segnete und die frei werdenden Bewußtseine der davon betroffenen Bürger nicht etwa sich selbst, sondern einem anderen zum ersehnten Zustand der Entstofflichung verhalfen.
Nicht alle Bewohner von Art’Yschall waren bereit, geduldig darauf zu warten, daß der Zufall ihnen ein solches Bewußtsein zuführte. Der ungeduldigste von allen hieß Thyken. Er postierte sich neben einen der Todgeweihten, in der Hoffnung, sich das Bewußtsein des Bürgers Gazee nach dessen Ende problemlos einverleiben zu können. Aber Gazee tat sich ungewöhnlich schwer bei der Preisgabe seiner stofflichen Hülle. Er war aber auch nicht mehr imstande, den weiten Weg zu den nächsten Grünflächen zurückzuIegen, wo er hätte zu neuen Kräften kommen können. Wäre Thyken andererseits gegangen, um für Gazee Nahrung zu besorgen, so wäre dieser inzwischen vermutlich in Form eines freien Bewußtseins auf und davon getrieben. Thyken konnte einerseits Gazees Qualen nicht mehr mit ansehen, aber er mochte auch nicht die ganze Zeit gewartet haben, ohne irgend etwas zu erreichen, was der Gemeinschaft nutzte. So bot er dem unglücklichen Gazee großzügig an, einige für Thyken nicht unbedingt
Weitere Kostenlose Bücher