Black Rose
1
Es begann mit einer Einladung. Andrew Morrison
erhielt häufig Einladungen von Leuten, denen er noch nie begegnet war und die
ihn kennen lernen wollten. Die meisten dieser Einladungen blieben
unbeantwortet; einige wenige, die von Leuten kamen, die ihm nicht ganz
unbekannt waren, beantwortete er mit der höflichen und jederzeit zutreffenden
Ausrede, er stecke mitten in einem Prozess und könne sich nicht freimachen.
Diesmal war es eine Einladung, ein langes Wochenende auf der Black Rose zu
verbringen, von der es hieß, sie sei die teuerste Yacht, die je gebaut worden
war. Ihr Eigner galt als einer der reichsten Männer der Welt, der zurückgezogen
lebende Nelson St. James, von dem gemunkelt wurde, er übe die Art von Macht
aus, die selbst einige Regierungen fürchten müssten. Für Morrison hatte diese
Einladung etwas von Abenteuer an sich, eine Chance, die sich ihm vielleicht so
schnell nicht wieder bieten würde. Er ertappte sich dabei, dass er nur zu gern
zusagen wollte. Die gespannte Erwartung, die er empfand, überraschte ihn, doch
dann fiel ihm ein, dass er ja die Stadt seit Monaten nicht mehr verlassen
hatte.
»Ich freue mich, dass Sie kommen konnten«, sagte Nelson St.
James, als er Morrison am späten Nachmittag an Bord der Black Rose begrüßte.
Sie waren bereits am Morgen aus San Francisco ausgelaufen, aber St. James hatte
den Tag in seiner Kabine verbracht und, wie er beiläufig erklärte, sich »geschäftlichen
Angelegenheiten« gewidmet.
Für einen Mann, dem ein außergewöhnlich scharfer Verstand nachgesagt
wurde, sprach er sehr langsam und distanziert; seine Stimme klang erschöpft
und, wie seltsam das auch erscheinen mag, fast amüsiert über diesen Zustand,
als gehörte sie jemand anderem, einem flüchtigen Bekannten, dessen plötzliches
Wiederauftauchen ein ratloses Lächeln über seine Lippen huschen ließ.
»Sie haben die anderen … schon kennen gelernt?« St. James wandte
sich mit einer halben Drehung der Schultern lustlos zu einem Dutzend Menschen
hin, die sich auf dem Achterdeck versammelt hatten. Morrison hatte an der
Reling gelehnt und beobachtet, wie die Brandung gegen die Felswand schlug, die
kaum eine Meile entfernt steil zum Strand hin abfiel. Er richtete sich auf und
bejahte die Frage mit einem Kopfnicken.
»Eine Idee meiner Frau«, erklärte St. James und reichte
Morrison einen Drink. »Wir kennen sie alle seit Jahren. Die größten Langweiler,
die man sich vorstellen kann … Ich freue mich, dass Sie gekommen sind«, sagte
er mit leiser Zurückhaltung, als er langsam an seinem Glas nippte und an
Morrison vorbei auf die Küste starrte. »Wenigstens sind Sie neu an Bord.« Er
trank noch einen Schluck, diesmal hastig. »Hohlköpfe, allesamt«, murmelte er
vor sich hin. »Sie sind der Anwalt, richtig? Sie arbeiten mit Kriminellen,
nehme ich an. Manche davon müssen interessant sein. Zumindest haben diese Leute
etwas getan, was nicht jeder vorzuweisen hat. Ist es das, was Sie an Ihrem Job
reizt? Schon gut, schon gut. Vielleicht stimmt es ja auch gar nicht, vielleicht
sind Verbrecher genauso langweilig oder noch langweiliger als alle anderen.«
St. James blickte nach achtern, dorthin, wo seine anderen
Gäste sich miteinander unterhielten. Plötzlich lachte er auf. »Vielleicht besteht
der einzige Unterschied darin, dass die Reichen einfach nur Verbrecher sind,
die man nicht erwischt hat.« Ein eigenartiges, fast böses Funkeln trat in seine
Augen. »Von mir denken das eine Menge Leute, müssen Sie wissen.« Das Funkeln
wurde stärker.
»Doch sie irren sich«, fügte er hinzu, »ich habe in meinem
ganzen Leben noch nie etwas Langweiliges getan.«
St. James leerte sein Glas, um sich wieder nach unten in
seine Kabine zu begeben, während Morrison über das Deck auf die andere Seite
der Yacht schlenderte. Dort blieb er stehen und beobachtete, wie die Sonne ihre
Farbe veränderte: von einem strahlenden Orange zu einem rötlichen Gold. Kurz
über der Wasseroberfläche schien sie innezuhalten und zu zögern, als wollte sie
nur dieses eine Mal die Sicherheit der Menschen durcheinander bringen, sich in
eine neue Richtung bewegen und im Westen vom Himmel verschwinden. Doch
schließlich, als handelte es sich nun allein um ihre Entscheidung, schien sie
sich langsam entlang der Horizontlinie zu verflüssigen und die See in einem
leuchtenden Strom geschmolzenen Goldes zu ertränken.
»›Er war nie weniger einsam, als wenn er allein war.‹ Hat
das nicht mal jemand gesagt?«
Als Morrison sich
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