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0988 - Das Labyrinth von Eden

0988 - Das Labyrinth von Eden

Titel: 0988 - Das Labyrinth von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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gefunden zu haben, aus dem sie am liebsten nie mehr fortgegangen wäre. Nicole und der Professor waren wie Eltern zu ihr - bessere Eltern, als sie in Wirklichkeit jemals gehabt hatte. Sie kümmerten sich um Carrie, wo sie nur konnten. Seit ein paar Wochen kam regelmäßig ein Privatlehrer aufs Schloss und unterrichtete Carrie in allen wichtigen Fächern. Der Mann war blind, sodass er die Eigenart seiner Schülerin weder selbst zur Kenntnis nehmen noch an die Öffentlichkeit hätte tragen können. Aber seine Behinderung war während der Unterrichtsstunden kaum spürbar. Die Lehrmittel, die er mitbrachte, waren auf ihn und auf Carrie zugeschnitten. Ihr Wissensdurst war enorm, genau wie ihre Bereitschaft zu lernen.
    London ist wieder da - und ich bin es auch!
    Ach, sie liebte ihr neues Leben, und je länger sie hinter den trutzigen Mauern des Châteaus weilte, desto mehr wuchsen ihr all die anderen Bewohner ans Herz. Kein Erwachsener, der sie nicht zu mögen schien. Selbst die freundliche Köchin Madame Claire oder Butler William lächelten, wann immer sich ihre Wege kreuzten.
    So auch heute.
    Carrie bog um einen Strauch - und entdeckte Madame Claire an ihrem Lieblingsplatz im Garten: eine von Rosen umrankte Sitzbank. Wegen der Frische, die die Jahreszeit mit sich brachte, hatte sie sich in eine warme Wolldecke eingemummt, und neben ihr auf der freien Sitzfläche stand ein Tablett, das vermutlich William dort abgestellt hatte. Eine Teekanne und zwei Tassen mit Untertellern standen darauf, außerdem eine Schale mit Gebäck.
    Carrie eilte der Köchin entgegen und grüßte freundlich schon von Weitem.
    Madame Claire nickte ihr wohlwollend zu, wobei ihr Blick fasziniert über die Bereiche von Carries Körper strich, die nicht von Kleidung verhüllt waren.
    »Du bist die schönste Blume von allen, mein Liebes«, sagte sie mit mütterlicher Stimme.
    Carrie senkte beschämt den Blick. »Erwarten Sie Besuch?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte die Köchin.
    »Ich meine nur, wegen der zwei Tassen.«
    »Eine für dich und eine für mich. Du magst doch Tee.«
    »Woher wussten Sie denn, dass ich herkomme?«
    »Ich habe es gehofft. Ich freue mich immer, dich zu sehen und mit dir zu plaudern. Du bist so angenehm umgänglich. Und so gerne im Garten!«
    »Darf ich mich setzen?«, fragte Carrie.
    »Ich bitte darum.«
    »Ich finde, dass alle im Schloss - wie sagten Sie gerade? - ›angenehm umgänglich‹ sind.«
    »Hm«, machte die Köchin.
    »Sind Sie anderer Meinung?«
    »Nun, eigentlich hast du recht«, lenkte Madame Claire ein. »Sie sind alle nett. Aber mit dir ist es trotzdem etwas anderes. Du hast so etwas Erfrischendes - Unbeschwertes möchte ich nicht sagen, denn hinter dir liegt so viel Furchtbares!«
    Carrie winkte ab. »Das hab ich schon fast vergessen.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.« Sie lauschte in sich hinein, um herauszufinden, ob die Behauptung, die ihr selbst gewagt vorkam, irgendwo auf Widerspruch stieß. Doch dem war nicht so - nicht dass es ihr bewusst geworden wäre, jedenfalls.
    »Nimm dir einen Keks«, sagte Madame Claire, während sie Tee für Carrie und sich selbst eingoss. »Selbst gebacken.«
    »Sie backen auch?«, fragte Carrie freudig überrascht. »Ich dachte, Sie können nur kochen!«
    »Nun ja, eigentlich war es William -aber nach meinen Anweisungen. Er macht das gerne, aber nicht weitersagen!«
    Es klang, als wolle Madame Claire damit ein Geheimnis mit Carrie teilen. Carrie lächelte, griff nach einem Keks und ließ ihn sich schmecken. Zwischendurch führte sie die Tasse an den Mund und nippte an dem Tee, bei dem offenbar auch Rücksicht auf den Gast genommen wurde: kein schwarzer, sondern Früchtetee.
    »Schmeckt’s?«
    »Mhm«, erwiderte Carrie.
    Die rechte Hand der älteren Dame langte unter die Decke, die sie um sich geschlungen hatte - oder hatte schlingen lassen -, und brachte sie Sekunden später wieder zutage. Stumm hielt sie Carrie einen kleinen Leinenbeutel hin, der mit einer kunstvollen Schleife verschlossen war.
    Carrie starrte das Geschenk an. »Für mich?«
    Madame Claire nickte. »Erwarte nicht zu viel. Es ist nichts wirklich Besonderes. Ich dachte nur… nun, ich merke ja, wie verrückt du nach allem bist, was da grünt und blüht. Deshalb wollte ich dir das schenken.«
    Carrie nahm den Beutel entgegen. Er war ganz leicht.
    »Darf ich es aufmachen?«
    »Aber ja.«
    Carrie nestelte an der Schlaufe herum. Dann lockerte sie den Beutelsaum und griff mit Daumen und Zeigefinger hinein. Noch bevor

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