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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Die abscheuliche Begebenheit von dem Mann mit den Kupferfingern
    Der Egotist-Club ist einer der freundlichsten Orte in ganz London. Dorthin kann man gehen, wenn man das Bedürfnis hat, jemandem seinen sonderbaren Traum von gestern nacht zu erzählen, oder kundzutun, was für einen guten Zahnarzt man entdeckt hat. Dort kann, wer will, auch Briefe schreiben, falls er die Gelassenheit einer Jane Austen hat, denn einen Raum, in dem Stille zu herrschen hat, gibt es nicht, und es gilt als Verstoß gegen die Clubregeln, sich beschäftigt oder gedankenvertieft zu geben, wenn ein anderes Mitglied einen anspricht. Von Golf und Angeln zu reden, ist allerdings verboten, und wenn der Ehrenwerte Freddy Arbuthnot bei der nächsten Vorstandssitzung mit seinem Antrag durchkommt (und die allgemeine Stimmung scheint dafür günstig zu sein), wird man künftig auch den Rundfunk nicht mehr erwähnen dürfen. Wie Lord Peter Wimsey schon sagte, als diese Frage neulich im Rauchsalon erörtert wurde, sind dies Dinge, über die man schließlich überall reden kann. Ansonsten ist dieser Club jedoch nicht ausgesprochen exklusiv. Niemand ist per se von der Mitgliedschaft ausgeschlossen, ausgenommen starke, schweigsame Männer. Kandidaten müssen allerdings gewisse Prüfungen bestehen, deren Natur hinreichend damit erklärt ist, daß ein angesehener Forscher einmal dabei zu Schaden kam, weil er zu einem 63er Portwein eine starke Zigarre annahm und auch rauchte. Hingegen wurde der gute Sir Roger Bunt (der Fisch-, Obst- und Gemüsemillionär, der in einem Preisausschreiben des Sunday Shriek 20.000 Pfund gewonnen und damit sein riesengroßes Handelsimperium in den Midlands aufgebaut hatte) wärmstens empfohlen und einstimmig aufgenommen, nachdem er frank und frei erklärt hatte, ihm schmeckten nur Bier und Pfeife. Wie Lord Peter nicht zum erstenmal feststellte, hatte «gegen Ungeschliffenheit niemand etwas einzuwenden, aber bei Grausamkeit muß man eine Grenze ziehen».
    An diesem Abend nun hatte Masterman (der kubistische Dichter) einen Gast mitgebracht, einen Mann namens Varden. Varden hatte sein Leben als Berufssportler begonnen, aber sein angegriffenes Herz hatte ihn gezwungen, diese glänzende Karriere aufzugeben und sein hübsches Gesicht mitsamt seiner bemerkenswert schönen Figur im Dienste der Filmleinwand zu Geld zu machen. Er war aus Los Angeles nach London gekommen, um die Werbetrommel für seinen großartigen neuen Film Marathon zu rühren, und entpuppte sich nun als ein recht angenehmer und unverdorbener Mensch – sehr zur großen Erleichterung des Clubs, denn Mastermans Gäste waren meist Glücksache.
    Mit Varden befanden sich an diesem Abend acht Männer im Braunen Zimmer. Dieses Zimmer mit seinen getäfelten Wänden, gedämpften Lampen und schweren blauen Vorhängen war vielleicht der gemütlichste und angenehmste von dem runden halben Dutzend Rauchsalons, die der Club sein eigen nannte. Die Unterhaltung hatte ganz belanglos damit begonnen, daß Armstrong eine sonderbare kleine Begebenheit erzählte, deren Zeuge er um die Mittagszeit an der Station Temple geworden war, und Bayes hatte daraufhin gemeint, das sei ja noch gar nichts gegen die wirklich sehr merkwürdige Geschichte, die ihm persönlich eines Abends im dichten Nebel in der Euston Road passiert sei.
    Masterman behauptete, in den einsameren Gegenden Londons lägen die Themen für einen Schriftsteller geradezu auf der Straße, und damit gab er seine eigene einzigartige Begegnung mit einer weinenden Frau und ihrem toten Affen zum besten, und dann spann Judson den Faden fort und erzählte, wie er einmal spätabends in einem einsamen Vorortviertel auf die Leiche einer Frau gestoßen sei, die mit einem Messer in der Seite auf der Straße gelegen habe, während in der Nähe ein Polizist gestanden und sich nicht gerührt habe. Er habe gefragt, ob er etwas tun könne, aber der Polizist habe nur geantwortet: «Ich würde mich da an Ihrer Stelle nicht einmischen, Sir; sie hat verdient, was sie gekriegt hat.» Judson sagte, der Vorfall sei ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen, und dann erzählte Pettifer einen merkwürdigen Fall aus seiner Arztpraxis, als ein ihm völlig unbekannter Mann ihn zu einem Haus in Bloomsbury geführt habe, wo eine Frau mit einer Strychninvergiftung gelegen und sich in Krämpfen gewunden habe. Dieser Mann habe ihm die ganze Nacht hindurch auf die intelligenteste Weise geholfen, und kaum sei die Patientin außer Lebensgefahr gewesen, da sei er geradewegs

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