0991 - Der Kopf des Vaters
und nichts mehr sehen.
Der Boden war glatt. Sie rutschte beim Laufen, schwankte auch, aber sie schaffte es, auf den Beinen zu bleiben. Die Hoffnung auf Rettung war ihr geblieben.
Die Tür! Nur die Tür war wichtig. Die einzige Rettung, vorläufig zumindest. Was später wurde, daran wollte sie nicht denken. Sie mußte nur das erste Hindernis überwinden, danach sah alles anders aus vielleicht.
Ihre Schritte wurden länger und lauter. Die Tür hatte sie nicht abgeschlossen.
Sie würde sie ohne Schwierigkeiten aufreißen können - und streckte bereits die Hand nach ihr aus, als es geschah.
Plötzlich spürte sie einen Schmerz in der Schulter. Einen Stich. Ein wahnsinniges Gefühl, kaum zu beschreiben. Verrückt, grauenhaft, und der Arm fiel nach unten, als wäre er abgehackt worden. Sie kriegte ihn nicht mehr hoch, es war ihr unmöglich geworden, nach der Klinke zu fassen. Die Hand klatschte gegen das Holz, das war schon alles.
Dann prallte sie gegen die Tür. Die Frau hatte den Schwung nicht mehr stoppen können. Beim Aufprall raste durch die mißhandelte Schulter wieder dieser irrsinnige Schmerz, der sie beinahe um den Verstand brachte.
Plötzlich wünschte sie sich, ohnmächtig zu werden. Aber sie wurde es nicht. Carinas Knie gaben nach. Sie sackte zu Boden und blieb vor der Tür knien. Ihr Kopf sank nach vorn. Die Schulter und der Rücken schmerzten wie verrückt. Da pumpte Blut aus der Wunde und rann den Körper hinab.
Er hat mich! dachte Carina. Sie hob den Kopf an, was ihr schwerfiel.
Alles an und in ihr war so schwer, und sie konnte es kaum in die Wege leiten. Er war noch da!
Er glotzte auf sie nieder. Sie hätte ihn greifen oder ihre Finger in die leeren Augenhöhlen stecken können, um ihn zu packen und ihn dann gegen die Wand zu wuchten.
Ihr fehlte die Kraft. Aber sie sah schon, daß das linke der beiden Hörner an der Spitze blutverschmiert war.
Ihr Blut!
Die Wunde im Rücken, aus der es noch immer warm hervorrann. Mit jedem Tropfen verlor die Frau an Kraft. Sie sah auch die Umgebung längst nicht mehr so klar, aber immerhin klar genug, um den Schädel vor sich schweben zu sehen.
Er kippte plötzlich nach rechts weg. Eine schon lächerlich wirkende Bewegung, aber bewußt vollführt.
Dann rammte er vor!
Die Frau hatte ihren Kopf genau in diesem Augeblick angehoben und durch die Bewegung die Haut am Hals gestrafft.
Genau darauf hatte der Schädel gewartet.
Er stieß zu.
Diesmal erwischte die Frau das zweite Horn.
Dieser Treffer war tödlich. Sie hatte nicht mal den Kontakt an ihrer Kehle gepürt. Irgend etwas in ihr explodierte. Sie schmeckte noch das Blut auf der Zunge, dann raste schlagartig die Finsternis des Todes auf sie zu.
Carina Sargasso war tot. Sie hatte ihre Rache nicht mehr genießen können.
Das Drama selbst war noch nicht beendet. Noch fiel der Vorhang nicht, dann das Stück ging weiter…
***
Trotz einiger Hindernisse hatten wir es geschafft, waren pünktlich auf dem Flughafen gewesen, hoben auch pünktlich ab und landeten fast pünktlich in Malaga, das uns nicht mit Sonnenschein begrüßte, aber mit wesentlich wärmeren Temperaturen, als wir sie von London her gewohnt waren.
Wer die Sonne finden wollte, mußte schon sehr genau suchen, um sie schlißlich hinter grauen Wolken zu entdecken.
Wir waren praktisch mit großer Mannschaft aufmarschiert. Immerhin zu viert, und drei von uns waren ruhig und gelassen, einer Person allerdings war der Fall stark an die Nerven gegangen.
Julia Sargasso war mehr als nervös. Sie hatte auf dem Flug nichts essen, sondern nur etwas trinken können. Zwei doppelte Whiskys hatte sie zu sich genommen, doch davon war es auch nicht besser geworden.
Sie war und blieb fahrig, schaute sich in der Halle immer wieder um, als suchte sie nach Verfolgern.
»Sie sollten sich nicht so viele Gedanken machen, Julia«, riet ich ihr.
»Schließlich sind Sie nicht allein, und wir werden auf Sie achtgeben.«
Ihre blassen Lippen zuckten. Sie war nicht geschminkt. Die Haut wirkte so bleich wie ein Bettuch. »Sie können sich nicht vorstellen, was in mir vorgeht. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Ich habe meine Eltern all die Jahre über mit falschen Augen gesehen. Die beiden waren lange verheiratet, und diese Jahre müssen für sie eine Hölle gewesen sein. Daran glaube ich fest.«
»Kann sein.«
»Es ist so, Mr. Sinclair!«
Suko war nicht bei uns. Er wollte für den Leihwagen sorgen, der uns zum Ziel bringen sollte. Wir kannten nur die Anschrift
Weitere Kostenlose Bücher