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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu werden. Stone und Parker entblößten bereitwillig ihre Häupter; Buttler griff in ihre Haare, überzeugte sich, daß es keine falschen waren, und sagte: „All right,ihr seid drei Schneider, und ich will nun nur um euretwillen hoffen, daß ihr mit euren Gewehren jetzt ebenso umzugehen versteht wie früher mit euren Nähnadeln.“
    „Keine Sorge!“ meinte Sam sehr zuversichtlich. „Was wir treffen wollen, das treffen wir.“
    „Wirklich?“
    „Wirklich!“
    „Wettschießen, wettschießen!“ flüsterten diejenigen, welche Buttler am nächsten saßen, diesem zu.
    Im Westen, wo fast jeder Mann ein guter Schütze ist, läßt nie jemand die Gelegenheit zu einem Wettschießen vorübergehen. Die Schützen messen sich gern miteinander; der Ruhm des Siegers spricht sich weit herum, und es werden oft dabei bedeutende Summen auf das Spiel gesetzt. Hier nun gab es nicht nur Gelegenheit zu einem Wett-, sondern sogar zu einem spaßhaften Schießen; die drei Schneider hatten wohl nicht gelernt, mit Gewehren umzugehen, und da die ihrigen nichts taugten, so gab es jedenfalls etwas zu lachen, wenn man sie dazu brachte, ihre vermeintliche Kunst zu zeigen. Darum sagte Buttler, um Sam anzustacheln, in zweifelndem Ton: „Ja, mit der Nähnadel den Ärmel eines Rockes treffen, das kann sogar ein Blinder; aber schießen, schießen, das ist doch etwas ganz anderes. Habt Ihr denn schon einmal geschossen, Mr. Grinell?“
    „Yes“, antwortete der Kleine.
    „Wonach?“
    „Nach Sperlingen.“
    „Mit diesem Gewehr?“
    „Nein, mit dem Blasrohr.“
    „Mit dem Blasrohr!“ lachte Buttler laut auf. „Und da denkt Ihr, daß Ihr auch mit dem Gewehr ein guter Schütze seid?“
    „Warum nicht? Zielen ist doch zielen!“
    „So? Wie weit könnt Ihr denn treffen?“
    „Doch jedenfalls so weit, wie die Kugel läuft.“
    „Sagen wir zweihundert Schritte?“
    „Well.“
    „Ungefähr so weit entfernt steht die zweite Hütte da drüben. Glaubt Ihr, sie zu treffen?“
    „Die Hütte?“ meinte Sam in beleidigtem Ton. „Die trifft ein Blinder, gerade wie mit der Nadel den Rockärmel.“
    „So wollt Ihr wohl sagen, daß das Ziel kleiner sein soll?“
    „Yes.“
    „Wie groß ungefähr?“
    „Wie meine Hand.“
    „Und das glaubt Ihr zu treffen, mit diesem Eurem Schießzeug hier?“
    „Yes.“
    „Unsinn! Dieser Lauf muß ja gleich beim ersten Schuß zerplatzen, und wenn er das nicht tut, so ist er so krumm gezogen, daß Eure Kugeln um jede Hausecke biegen, nie aber gerade fliegen werden.“
    „Versucht es doch einmal!“
    „Wollen wir wetten? Ihr habt ja Geld dazu.“
    „Nicht nur Geld, sondern auch Lust.“
    „Wieviel setzt Ihr?“
    „Soviel wie Ihr.“
    „Also einen Dollar?“
    „Einverstanden.“
    „So gilt also die Wette. Aber wir wollen nicht nach jener Hütte schießen, weil der Besitzer es wohl nicht dulden würde, sondern ich –“
    „Schießt nach der meinigen!“ unterbrach ihn der Wirt. „Ich klebe an die hintere Front ein Papier, so groß wie meine Hand; dies ist das Ziel.“
    Dieser Vorschlag wurde angenommen. Man begab sich nach der hinteren Seite; das Papier wurde angeklebt, und dann zählte Buttler zweihundert Schritte ab. Er setzte einen Dollar, und Sam gab den seinigen. Darauf loste man, wer zuerst schießen solle. Das Los fiel auf Buttler. Er stellte sich in der abgemessenen Entfernung auf, zielte nur ganz kurz, drückte ab und traf das Papier.
    Nun war die Reihe an Sam. Er machte die krummen Beinchen möglichst weit auseinander, legte seine Liddy an, bog sich weit, weit nach vorn und zielte eine lange, lange Zeit. In dieser Stellung sah er aus wie ein Fotograf, welcher sich unter die Hülle seines Apparates beugt, um nach seinem Objekt zu visieren. Alle lachten. Da endlich krachte der Schuß, und Sam flog zur Seite, das Gewehr fallen lassend und mit der Hand die rechte Backe haltend. Das Gelächter wurde zum fröhlichen Gejohle.
    „Hat Euch die Flinte gestoßen, wohl gar einen Hieb gegeben?“ fragte Buttler.
    „Yes, sogar eine Ohrfeige ist's gewesen!“ antwortete der Kleine wehmütig.
    „Das Ding haut also; es scheint Euch selbst gefährlicher zu sein als anderen Leuten. Wollen sehen, ob Ihr getroffen habt.“
    Auf dem Papier war keine Spur von der Kugel zu bemerken. Man suchte lange, lange Zeit, bis endlich einer, welcher zur Seite gegangen war, unter dröhnendem Lachen den anderen zurief: „Kommt her zu mir! Es konnte mir nicht einfallen, hier zu suchen; aber da steckt sie, da, wer sie sehen will.

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