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Fünf

Fünf

Titel: Fünf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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[zur Inhaltsübersicht]
    Prolog
     
    Die Stelle, an der sich sein linkes Ohr befunden hatte, pochte im Rhythmus seines Herzschlags. Schnell, panisch. Sein Atem ging in kurzen, lauten Stößen. Wenige Schritte von ihm entfernt beugte Nora sich über den Tisch, auf dem die Pistole und das Messer lagen. Ihr Gesicht war verzerrt, aber sie weinte nicht mehr.
    «Bitte», flüsterte er heiser. «Ich will nicht. Bitte.»
    Nun schluchzte sie doch auf, kurz und trocken. «Sei still.»
    «Warum machst du mich nicht los? Wir haben eine Chance, oh bitte mach mich los, okay? Okay?»
    Sie reagierte nicht. Ihre rechte Hand schwebte zitternd über den Waffen, die matt im Licht der nackten Glühbirne schimmerten.
    Angst ließ seinen Körper verkrampfen. Er krümmte sich auf dem Stuhl, soweit die Fesseln es zuließen. Sie schnitten brennend ins Fleisch, unnachgiebig wie Stahlbänder.
    Ich kann doch nichts dafür, ich kann doch nichts dafür, ich kann doch …
    Er kniff die Augen zusammen, riss sie wieder auf. Er musste sehen, was passierte. Noras Hand lag jetzt auf dem Messer.
    «Nein!», schrie er, glaubte er zu schreien. «Hilfe, warum hilft mir niemand?» Doch seine Stimme ließ ihn ausgerechnet jetzt im Stich. Sie war fort, und gleich würde alles fort sein, für alle Ewigkeit, sein Atem, sein Puls, jeder Gedanke, alles.
    Tränen, die er nicht wegwischen konnte, verschleierten ihm den Blick auf Nora, die immer noch vor dem Tisch stand. Sie gab einen langgezogenen Klagelaut von sich, leiser als ein Schrei, lauter als ein Stöhnen. Er blinzelte.
    Sie hatte die Pistole genommen, ihre rechte Hand bebte wie die einer Greisin. «Es tut mir leid», sagte sie.
    Er warf sich verzweifelt nach vorne, nach hinten, brachte fast den Stuhl zum Kippen. Spürte kühles Metall an seiner Schläfe. Hielt dann still.
    «Mach die Augen zu», sagte sie.
    Ihre Hand auf seinem Kopf, sanft. Er fühlte ihre Angst, so groß wie seine eigene. Aber sie würde weiteratmen, weitersprechen, leben.
    «Nein», flüsterte er tonlos und blickte zu Nora auf, die nun direkt vor ihm stand. Wünschte sich, ihren Namen nie gehört zu haben.

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    N47°35.285 E013°17.278
    Morgennebel hüllte sie ein wie ein feuchtes Leichentuch. Die tote Frau lag bäuchlings da. Das Gras unter ihr war nass von Tau und Blut. Dort würden die Kühe nun nicht mehr fressen. Sie hatten die Wahl, die Weide war groß und das Ding, das im Schatten der Felswand lag, war ihnen nicht geheuer. Die Braune war knapp nach Sonnenaufgang hingetrottet, hatte den schweren Kopf gesenkt und ihre raue Zunge um die flachsfarbenen Haarsträhnen geschlungen. Dann hatte sie ihren Fund für ungenießbar befunden und war zu den anderen zurückgekehrt.
    Sie hielten Abstand. Die, die dalagen, wiederkäuten und aufs Wasser starrten, ohnehin.
    Aber auch die Fressenden mieden die Nähe der Felswand. Der Geruch nach totem Tier beunruhigte sie. Viel lieber grasten sie da, wo die ersten Sonnenstrahlen durch den Dunst drangen und lichte Flecken in die Wiese zeichneten.
    Die Braune trabte zur Tränke, um zu saufen. Bei jedem Schritt schlug der Klöppel ihrer Glocke blechern gegen das Metall. Ihre Artgenossinnen schlenkerten nicht einmal mit den Ohren. Sie blickten stoisch auf den Fluss, mit fortwährend mahlenden Unterkiefern und peitschenden Schwänzen, die die ersten Fliegen des Tages verscheuchten.
    Ein Windhauch strich über die Wiese, verwehte das Haar der Frau und legte ihr Gesicht frei. Die kurze, nach oben weisende Nase. Das Muttermal neben dem rechten Mundwinkel. Die viel zu blassen Lippen. Nur die Stirn blieb bedeckt, da, wo Haar und Haut mit Blut verklebt waren.
    Langsam zerfaserte der morgendliche Nebel zu einzelnen Schleiern, die schließlich fortwehten und den Blick freigaben auf die Wiese, die Tiere und das ungebetene Geschenk, das man ihnen hinterlassen hatte. Das dumpfe Muhen der Braunen begrüßte den Tag.
     
    Beatrice nahm immer zwei Stufen auf einmal. Sie schlitterte den Korridor entlang, bloß schnell an der zweiten Tür zur Linken vorbei. Sieben Schritte noch. Sechs. Da war ihr Büro, und darin war niemand außer Florin. Dem Himmel sei Dank.
    «War er schon da?» Sie schleuderte ihren Rucksack auf den Drehstuhl und die Aktenmappe auf den Tisch.
    «Dir auch einen guten Morgen!»
    Na wie schön, da war ja jemand die Ruhe in Person. Sie warf ihre Jacke auf den Kleiderständer, traf aber nicht und fluchte.
    «Jetzt setzt du dich erst mal hin und atmest tief durch.» Florin stand auf, hob

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