10 - Der Ölprinz
noch in dieser Nacht getötet worden. Er hat die Bleichgesichter verraten und wird meinen, daß ich ihm dafür gnädig sein werde; da aber irrt er sich, denn ein Verräter ist schlimmer als der schlimmste Feind.“
Er ließ sich das, was die Späher erkundet hatten, auf das genaueste beschreiben und sagte dann: „Wir werden sie im Schlaf überraschen und also wohl nicht mit ihnen zu kämpfen brauchen. Zwei Krieger von uns auf einen von ihnen, auf Winnetou aber drei und auf Old Shatterhand vier; drei auch für den Posten, welcher Wache hält, damit er schnell und sicher überwältigt wird. Wir nehmen nicht die Gewehre, sondern nur die Messer und Tomahawks mit und Riemen dazu, die Gefangenen zu binden. So große und berühmte Krieger tötet man nicht, denn es ist ein großer Ruhm für uns, sie gefangen zu den Unsrigen zu bringen, und eine noch viel größere Schande für sie, in unsre Hände gefallen zu sein, ohne gekämpft und eine Wunde erhalten zu haben.“
Er suchte die zuverlässigsten und stärksten seiner Leute aus und brach mit ihnen auf. Der Mond stand über dem Tal; sein bleicher, matter Schein drang aber nicht durch die Wipfel der Bäume, unter und zwischen denen die Schar der auserwählten Roten jetzt verschwand, um lautlos und in der vorsichtigsten Weise den Bergeshang hinaufzuklettern.
Oben herrschte die tiefste Ruhe. Schi-So hatte bis vor kurzem Wache gestanden und war von Droll abgelöst worden. Der letztere ging, um nach dem anstrengenden Ritt wach zu bleiben, leisen Schrittes und langsam hin und her. Die andern schliefen alle fest, außer dem Hobble-Frank. Dieser hatte einen aufregenden Traum, in welchem er sich mit dem Kantor zankte, und zwar in einer solchen Weise, daß er sich auf ihn stürzte, um ihn zu packen. Darüber wachte er auf. Er öffnete die Augen, sah den bleichen Mond über sich und war froh, daß der Streit nur ein Traum und keine Wirklichkeit gewesen war. Er drehte sich auf die andre Seite, um nach dem Emeritus zu sehen, welcher sich nicht weit von ihm niedergelassen hatte – er war nicht mehr da. Sollte er sein Lager nach einer andern Stelle verlegt haben? Das war unwahrscheinlich. Frank setzte sich auf und blickte umher; er sah ihn nicht. Er zählte die Schläfer; es fehlte einer. Da weckte der Hobble seinen Nachbar, was zufälligerweise Sam Hawkens war, und flüsterte ihm zu: „Nimm's nicht übel, Sam, daß ich dich aus dem Schlaf kompensiere; ich sehe den Kantor nich. Wo mag er sein? Soll ich die andern wecken?“
Sam gähnte ein wenig und antwortete dann ebenso leise: „Wecken? Nein, der Schlaf ist allen nötig. Da du mich nun doch geweckt hast und selbst auch munter bist, wollen wir die Sache allein abmachen. Der unvorsichtige Mann wird wieder mal eine Strecke fortgelaufen sein, um sich im stillen an seiner berühmten Oper zu zermartern. Komm, wollen ihn suchen!“
„In welcher Richtung?“
„Hier in den Wald und den Abhang hinunter, wo die Roten kampieren, hat er sich jedenfalls nicht gewagt.“
„Nee, er is jedenfalls da links in die Ebene hinausfiltriert, um den Mondschein aus der Despektive anzusingen. Nach dieser Seite wollen wir gehen. Nehmen wir die Gewehre mit? Brauchen werden wir sie schwerlich.“
„Brauchen oder nicht brauchen, ein Westmann läßt sein Gewehr nie liegen, ich nehme meine Liddy auf jeden Fall.“
Ehe sie sich entfernten, erkundigten sie sich bei Droll, welcher nun auch bemerkte, daß der Emeritus fehlte, und versicherte: „Er muß schon fort sein, ehe ich meinen Posten angetreten habe; macht, daß ihr ihn findet, sonst kann's leicht eine Dummheet geben.“
„Werden ihn schon bringen, wenn ich mich nicht irre“, nickte Sam. „Wenn wir einen Halbkreis gehen, müssen wir unbedingt auf seine Spur kommen. Der Mond scheint zwar nicht hell, aber ich denke, daß wir sie dennoch bemerken werden – soll ihm diesmal schlecht ergehen, wenn wir ihn erst haben.“
Hawkens und Frank gingen eine Strecke westwärts am Waldessaum hin, um dann ostwärts einen Halbkreis zurückzuschlagen, dessen Mittelpunkt das Lager war. Sie waren gezwungen, tiefgebückt zu gehen, um die Spur erkennen zu können. Da sie den Gesuchten nicht sehen konnten, nahmen sie an, daß er sich ziemlich weit entfernt hatte.
Droll folgte ihnen mit seinen Blicken, bis er sie nicht mehr sah; er war besorgt wegen des unvorsichtigen Kantors und lenkte also unwillkürlich die Schärfe seiner Sinne in die Ebene hinaus und stand auch so, daß er derselben das Gesicht zukehrte. Daher
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