10 - Im Bann der Loge
Weiß.
Camazotz gehorchte.
Der Weiße winkte Pauahtun herbei. »Leg ihm den Armreif an!«
Selbständig reckte Camazotz den rechten Arm vor. Pauahtun legte das Schmuckstück auf die nackte Haut des Mannes, woraufhin es sich sofort anschmiegte und mit einem leisen Klicken schloss.
Die drei Ringe gerieten in Bewegung, verschoben sich gegenläufig und formten aus den eingekerbten Segmenten stets neue Kombinationen.
»Und jetzt?«, fragte das Versuchskaninchen.
»Dreh dich einmal im Kreis«, forderte der Mann in Weiß. »Aber langsam.«
Camazotz tat wie ihm geheißen – bis sich die Kerben auf den Armreifsegmenten zu einer Pfeilspitze vereinten.
»Bleib stehen!«, befahl Pauahtun. An seinen Herrn gewandt sagte er: »Du weißt, was in Pfeilrichtung liegt?«
»Rom.«
Pauahtun nickte. »Wahrscheinlich der Petersplatz. Scheint so, als hätte der Autist die Wahrheit gesagt.«
»Die Welt wird durchzogen von Energielinien. Es gibt einige wenige Orte, an denen sich viele dieser Linien kreuzen.« Der Weiße zeigte auf Camazotz’ Handgelenk. »Ich weiß nicht, was das für ein Ding ist, aber es scheint diese Kreuzungspunkte aufzuspüren.« Er deutete auf einen weiteren Indio. »Ixbalanqué, du und Camazotz ladet die Maschine in einen Lieferwagen. Fahrt damit in die Richtung, die der Armreif euch weist. Vermutlich handelt es sich um den Petersplatz. Parkt an einer unauffälligen Stelle. Ich stoße später zu euch, um mich von der Wirksamkeit zu überzeugen.«
Zwei weiteren Indios befahl er, mit den Motorrädern zu folgen und die Umgebung nach allzu neugierigen Beobachtern abzusuchen. Dann deutete er auf einen großgewachsenen Gerechten mit Stoppelhaarschnitt und sanften Gesichtszügen.
»Hunahau«, sagte er.
Der Angesprochene trat vor. »Du wünschst, Herr?«
»Du weißt, nach welchem Gott du benannt bist?«
»Nach dem Gott des Todes, Herr.«
»Du wirst dich dieses Namens würdig erweisen.«
Hunahau senkte den Blick. »Was soll ich tun?«
»Ich habe die Datennetze der Polizeibehörden nach den Ereignissen bei Tivoli durchsucht. Dabei bin ich auf einen Polizisten gestoßen, der Ericson und damit auch uns auf der Spur ist. Wenn ich den Eintrag im Intranet von Interpol richtig deute, handelt es sich um den gleichen Mann, der sich auf der Île de Ré schon als zu neugierig erwiesen hat, ein gewisser Spencer McDevonshire. Langsam wird er mir lästig. Ich will, dass du nach London reist, in sein Büro eindringst und all seine Unterlagen und Computer vernichtest.«
Detailliert erklärte der Mann in Weiß dem Indio, wie er vorgehen sollte. »Es darf nichts übrig bleiben! Und anschließend beseitigst du McDevonshire selbst. Lass es aussehen wie eine Verzweiflungstat.«
»Natürlich, Herr. Ich gehorche.«
Regungslos stand Pauahtun daneben und lauschte den Anweisungen des Weißen. Er fragte sich, wie er es deuten sollte, dass nicht er den Auftrag erhalten hatte.
***
Splitter des Untergangs
Auszug aus einer Meldung des Nachrichtensenders NTV vom 28.12.2011:
» Wie wir soeben erfahren, scheint der Komet ›Christopher-Floyd‹ seinen Kurs erneut geändert zu haben. Verschiedene Quellen ließen verlauten, dass die Wahrscheinlichkeit einer Kollision mit der Erde dadurch gestiegen sei. Eine offizielle Bestätigung liegt aber noch nicht vor. Die Europäische Weltraumorganisation ESA warnt hingegen vor voreiligen Schlüssen und Panikmache. Die NASA hat eine Stellungnahme für 23 Uhr mitteleuropäischer Zeit angekündigt.
Kommen wir zum Wetter. Der Wettergott scheint der Hauptstadt Italiens keine Ruhe zu gönnen. Noch immer herrschen in Rom ungewöhnlich hohe Temperaturen. Zusätzlich tobt nun ein heftiges Gewitter über der Metropole. Die Meteorologen stehen vor einem Rätsel, weisen jedoch jegliche Zusammenhänge mit dem Kometen entschieden zurück. Vielmehr seien derartige Phänomene durchaus normal, wenn man langfristige Beobachtungen …«
***
Der Regen trommelte so heftig gegen das Fenster, dass Tom das Radio im Hotelzimmer beinahe bis zum Anschlag aufdrehen musste, um überhaupt etwas zu verstehen.
Er verfolgte einen Nachrichtensender, den zwei Schwerpunkte beherrschten: die erneute Kursänderung von »Christopher-Floyd« und die Kapriolen des italienischen Wetters.
Ersteres versetzte ihm einen Stich ins Herz, gab er sich doch selbst die Schuld daran. Er hätte besser auf Jandro aufpassen müssen. Er hatte die Maschine an die Loge verloren. Dem Autisten machte er keinen Vorwurf. Also war auch er dafür
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