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Teufelspfad

Teufelspfad

Titel: Teufelspfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Ellison
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1. KAPITEL
    Boston, Massachusetts
20:12 Uhr
An: [email protected]
Von: [email protected]
Betreff: Boston
    Lieber Troy,
alles ist gut.
BB
    Stille. Nur das Schlagen seines Herzens.
    Sie war jetzt zu Hause, die Woche der langen Arbeitstage im Büro war vorbei. Er hatte sich schon langsam gefragt, ob sie es überhaupt zurückschaffen würde. Amüsiert registrierte er seine Erleichterung, als er sie nun in ihrem dicken Wollmantel mit schleppenden Schritten die Straße hinunterkommen sah. Er war besorgter gewesen, als er erwartet hatte. Immerhin war das hier nur ein Spiel für ihn. Ein schönes Spiel.
    Sie ging an dem Truck vorbei, ohne ihn eines zweiten Blickes zu würdigen. Noch ein paar Schritte, und sie erreichte das Appartementhaus. Das schmiedeeiserne Tor war kaputt und stand leicht offen. Sie drückte es mit der linken Hand auf und trottete die Stufen hinauf. Er beobachtete sie mit gesenktem Kopf aus dem Augenwinkel. Sie schloss die Tür auf und schlüpfte ins Haus. Nicht ein Mal hatte sie sich umgeschaut, nicht einen Moment überlegt, dass sie vielleicht in Gefahr sein könnte. Ihr millionster Fehler diese Woche.
    Er würde ihr eine Minute Zeit geben, damit sie nach oben gehen konnte. Derweil beschäftigte er sich mit dem Paket, dem harten Plastikkästchen für die elektronische Unterschrift, den Schnüren an der Kiste und zählte die ganze Zeit im Hinterkopf mit.
    Eins Mississippi, zwei Mississippi .
    Sobald er bei sechzig angekommen war, folgte er ihrem Weg zur Tür. Er drückte mit seinem Finger auf den weißen Knopf, hörte das schrille Klingeln der Glocke. Eine Frauenstimme, blechern und dünn, sagte: „Ja?“
    „Eine Lieferung für June Earhart.“
    Ohne ein weiteres Wort drückte sie auf den Summer. Die Tür öffnete sich mit einem Klick, und er zog sie weit genug auf, um die Sackkarre durchziehen zu können. Dann zog er sich die Kappe tiefer in die Stirn, weil er nicht wollte, dass man sein Gesicht sah. Von früheren Besuchen wusste er, dass in der Eingangshalle Kameras installiert waren.
    Er dachte an sein Ziel. Ihm gefiel Junes Aussehen. Braune Haare, braune Augen, einen Meter siebenundsechzig groß, ein wenig pummelig, aber das lag nur daran, dass sie gerne aß und keinen Sport trieb. Sie war nicht faul. Nein, auf keinen Fall. Nur … gut gepolstert.
    Er hatte sie diese Woche jeden Tag in der Mittagspause beobachtet: Montag ging sie zu McDonald’s, Dienstag zu Subway, Mittwoch gab es Schmalzgebäck und einen süßen Smoothie von Dunkin’ Donuts. Donnerstag war sie im Büro geblieben, aber nachmittags hatte sie sich ein dick mit Salami, Schinken und Käse belegtes Sandwich gekauft und dazu eine Tüte Kartoffelchips. Er hatte sich gefragt, ob sie wohl nach Zwiebeln roch oder ob sie rücksichtsvoll genug gewesen war, ein Kaugummi zu kauen oder ein paar Tic Tac zu essen. Er nahm das Letztere an; June war eine sehr unsichere Frau, die nicht unangenehm auffallen wollte.
    Gut, sie war von ihrem Büro aus immer zu Fuß zu den Läden gelaufen, hatte auf dem Weg aber den Pita-Stand und die Saft- und Salatbar links liegen lassen. Sie hatte sich für das fettige Essen entschieden, und er wusste, das lag daran, dass sie Angst davor hatte, allein zu sein, aber einen Verteidigungsmechanismus brauchte, um ihren Status als Single vor sich zu rechtfertigen. Er wusste, dass sie jeden Abend in ihrer schäbigen Wohnung saß, Fitness- und Yogazeitschriften las und davon träumte, wie es wohl wäre, einen durchtrainierten, geschmeidigen Körper zu haben, wohl wissend, dass sie, wenn sie sich entsprechend anstrengen würde, unwiderstehlich wäre. Und unwiderstehlich bedeutete, dass der Anwaltsgehilfe aus dem Nachbarbüro sie bemerken würde.
    Aber sie hatte Angst, und so träumte sie nur und verschaffte sich durch ihre selbstbetrügerischen Handlungen ein kleines bisschen mehr Zeit. Er wusste, sie hatte vor, im neuen Jahr einem Fitnessklub beizutreten. Das stand in pinkfarbener Schrift auf einem Zettel mit möglichen Neujahrsvorsätzen, den er in ihrem Küchenmüll gefunden hatte. Er wettete, dass sie diesen Vorsatz jedes Jahr fasste. June war der Typ Frau, der im November gute Vorsätze fürs neue Jahr fasste und sie niemals umsetzte. Eine Frau, die träumte. Eine Frau, die einen völlig Fremden in ihr Gebäude ließ, weil sie nie damit rechnete, ein Opfer zu werden.
    Eine Frau ganz nach seinem Geschmack.
    Die Sackkarre erschwerte den Aufstieg. Bei jedem Schritt schlug sie gegen die Stufen. Es wäre leichter gewesen,

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