10 - Im Bann der Loge
hatte der eine oder andere Ballonfahrer zumindest mit dem Handy die Polizei alarmiert. Sie mussten also zusehen, dass sie so schnell wie möglich verschwanden!
Aber zunächst war Jandro wichtiger.
Und die Weltuntergangs-Maschine!
Sie langten dort an, wo Jandro abgestürzt sein musste, doch außer Vogelgezwitscher und dem Rascheln des Windes in den Ästen hörten sie nichts. Auch kein schmerzerfülltes Stöhnen von Jandro. In der Ferne bellte ein Hund, das war alles.
Als sie die Stelle fanden, an der Alejandro durch die Äste gebrochen war, wurde es zur Gewissheit:
»Sie sind weg«, flüsterte Tom seiner Begleiterin zu. »Und sie haben Jandro mitgenommen.« Er vermied es, von seiner Leiche zu sprechen.
Die Spanierin biss sich auf die Unterlippe. Der Boden vor ihnen war aufgewühlt von Fußtritten und Reifenspuren. Ein Blick nach oben offenbarte abgeknickte Äste. An einem hing ein dunkler Stofffetzen.
»Ein Stück von Jandros Hemd«, sagte Maria Luisa. Tränen quollen ihr aus den Augen, als sie sich an Tom wandte. »Dass sie ihn mitgenommen haben, ist doch ein gutes Zeichen, oder?« Aus großen Augen sah sie ihn an, schien auf seine Zustimmung zu warten. »Ich meine, wenn er tot wäre, hätten sie ihn doch hier liegen lassen, oder?«
»Ja, wahrscheinlich.« Auch wenn Tom sich nicht vorstellen konnte, was die Loge mit einem lebenden Alejandro anfangen wollte. Immerhin hatten sie bekommen, was sie wollten: die Weltuntergangs-Maschine.
»Wir müssen ihn befreien!«, forderte Maria Luisa.
Tom nickte, weil jede andere Reaktion die junge Spanierin gegen ihn aufgebracht hätte. »Wir werden ihn finden. Aber zuerst müssen wir die Aufzeichnungen beim Ballon holen.«
Maria Luisa fiel es sichtlich schwer, unverrichteter Dinge zurückzukehren. Aber letztlich sah sie ein, dass ihnen im Augenblick nichts anderes übrig blieb. Schweigend stapften sie zur Stelle ihrer Bruchlandung zurück.
Die Gedanken jagten durch Toms Kopf wie die Gondeln eines Karussells. Bedeutete ihr Versagen das Ende der Welt? Gab es eine andere Möglichkeit, den Untergang aufzuhalten? Den Himmelsstein in der zeitlosen Kammer zurückzulassen hatte nicht funktioniert. Ließ er sich irgendwie vernichten?Doch dafür mussten sie erst die Maschine zurückholen …
Noch hatte er die Dokumente des Diego de Landa nicht vollständig übersetzt. Vielleicht ergaben sich daraus noch wichtige Informationen, die ihnen weiterhalfen.
Ein schrecklicher Gedanke erhob sich in seinem Bewusstsein und brachte das Karussell zum Halten.
Der Armreif, der zugleich Kompass und Schlüssel zu diesem mysteriösen Raum mit all den Wunderdingen darstellte – Jandro hatte ihn am Handgelenk getragen. Hatten die Indios ihn deshalb mitgenommen? Wussten sie und der Mann in Weiß von dem Raum? Oder würden sie jetzt davon erfahren – falls Jandro noch lebte?
»Sie ist weg!«, riss Maria Luisas Stimme ihn in die Gegenwart zurück.
»Was?«
Sie näherten sich der Korkeiche, mit der sie spürbare Bekanntschaft geschlossen hatten. Die Spanierin rannte auf den Korb zu und sah darunter nach. »Die Tasche mit den Aufzeichnungen. Sie ist weg!«
Tom lief es eiskalt den Rücken hinunter. »Aber wer sollte …«
Hinter dem Baumstamm trat ein Mann hervor. Groß, drahtig, sicherlich schon jenseits der Sechzig. Der Mann, der sie bereits in Stonehenge aufgespürt hatte und dem sie knapp entkommen waren. In einer Hand hielt er eine Pistole, deren Mündung auf Tom wies. Mit der anderen reckte er ihnen die Tasche entgegen, die sie unter dem Korb zurückgelassen hatten.
»Suchen Sie das hier, Mister Ericson?«
***
Wind umspielt seine Glieder und lässt sein Haar flattern. Über sich das Gesicht von Maria. Sie lacht. Oder weint sie? So genau kann man das nicht sagen. Beides sieht gleich aus.
Daneben der Mann. Tom. Zuerst hat Jandro ihn nicht besonders gut leiden können. Der Mann gehörte nicht in ihr Leben. Doch inzwischen findet er ihn nett, auch wenn er manchmal Angst hat, Tom könne ihm seine Schwester wegnehmen und Unordnung verursachen.
Tut er das nicht bereits?
Denn Maria wird kleiner und immer kleiner. Warum geht sie von ihm weg? Das macht ihn traurig.
Wie um Trost zu finden, klammert er die Tasche an sich, hält sie fest, ganz fest und …
Etwas schlägt ihm ihn den Rücken.
Krachen.
Splittern.
Und Schmerzen!
Ein Stich, tief in seinem Inneren. Die Luft entweicht aus seinen Lungen, aber nicht nur die. Er stöhnt und eine Flüssigkeit schießt ihm in den Mund. Süßlicher
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