1.000 Euro für jeden
Die Gesundheitsschäden beeinträchtigen nicht nur die
Leistungsfähigkeit der Arbeitslosen, sondern reduzieren auch die Chancen auf
einen Arbeitsplatz deutlich. Damit stecken die Betroffenen im Teufelskreis aus
Arbeitslosigkeit, Armut und Krankheit. Arbeitslosigkeit gilt als
Hauptrisikofaktor für Armut und Armut wiederum als größter Risikofaktor für die
Gesundheit.
Die
dauerhafte Kränkung, die das Gefühl des »Nicht gebraucht, nicht gefordert,
nicht gemeint sein« mit sich bringt, äußert sich unter anderem in neuen Krankheitsbildern.
Seit einiger Zeit spricht man vom »chronischen Verbitterungssyndrom«; die
erfahrene Entwertung, keinen Platz zu finden, führt dazu, dass sich Menschen
einigeln, in der Depression abkapseln, um dem als unerträglich empfundenen
Zustand des Nichtstuns, Nichtsschaffens und des Nichtgebrauchtwerdens, »dem
Gespenst der Nutzlosigkeit« (Richard Sennett), zu entfliehen.
Und da
es ja beim Grundeinkommen auch immer um die Frage geht, was man an anderen
Ausgaben einsparen kann, um es zu finanzieren, spielen natürlich die steigenden
Kosten für die ärztliche Behandlung dieses Gespenstes der Nutzlosigkeit eine
nicht unerhebliche Rolle. Dieses Geld wäre im Grundeinkommen gesünder angelegt.
Überfluss erzeugt Mangel
Die
Krankheit des Systems – die Tatsache, dass es vielen schwerfällt, sich
über ihre Erwerbsarbeit hinaus zu definieren – wird in der amerikanischen
Tragikomödie »Up in the Air« großartig vor Augen geführt: Die von George
Clooney verkörperte Hauptfigur, Ryan, hat die undankbare Aufgabe, rund um den
Globus Manager darin zu unterstützen, ihre Mitarbeiter vor die Tür zu setzen.
Er gilt als Bester in seinem Job, was ihm aber nichts bedeutet. Er ist vom
Ehrgeiz besessen, als siebter Mensch die Zehn-Millionen-Bonusmeilen-Schallmauer
einer Fluggesellschaft zu durchbrechen. Der Meister der Rationalisierung und
Effizienz wird jedoch eines Tages von der jüngeren Kollegin überrundet, die zur
Effizienzsteigerung vorschlägt, Kündigungsgespräche nicht mehr vor Ort, sondern
per Videokonferenz zu führen. Damit ist auch Ryans Arbeitsplatz bedroht –
und er muss sich die Frage stellen, was er stattdessen mit seinem Leben
anfangen könnte: Eine Konzentration auf Familie, Freunde und Liebe, wie sie es
ihm seine junge Kollegin vorschlägt, kommt ihm seltsam unzureichend vor. Ein
solches Leben würde ihm nicht genügen und ihn zugleich überfordern.
Es ist
schwer, sich eine Existenz außerhalb von Erwerbsarbeit vorzustellen. Mit ihr
verbinden wir unsere Identität, unseren Status, die für den Menschen so
notwendige soziale Kommunikation. Schwer ist es auch deshalb, weil die
Fähigkeit, sich die Frage zu stellen, was das Leben stattdessen konturieren
könnte, uns nicht beigebracht wurde. Vielmehr grenzen solche Reflexionen an ein
Tabu. In dieser Republik, die sich mehr als die meisten Länder auf der Welt
über bezahlte Arbeit definiert, wird der Verlust von Arbeit noch nicht als Befreiung gedacht, anderen
Tätigkeiten nachgehen zu können – die Philosophin Hannah Arendt nennt
dieses entfesselte Leben »Vita activa«. Die evangelische Kirche von Westfalen
resümierte schon 1983: »Wenn die Erwerbsarbeit ausgeht, dann besteht die
Möglichkeit und Notwendigkeit, den Reichtum der Vita activa wiederzuentdecken
und neu zu beleben.« Aber noch ist sie nicht Gegenstand breiter öffentlicher Diskussion, auch weil
z.B. die Gewerkschaften sie nicht führen wollen.
In der
Grundeinkommensbewegung ist die Frage zentral: Wie wollen und wie können wir
eigentlich leben in einer Welt, in der alle Güter im Übermaß vorhanden sind?
Und in der doch gleichzeitig Mangel, zum Beispiel an Sinn, herrscht.
Der
Psychoanalytiker und Sozialpsychologe Erich Fromm hat in »Psychologische
Aspekte zur Frage eines garantierten Einkommens für alle« (1966) die
Verknüpfung von Mangel und Überfluss in unserer Zeit beschrieben:
»Der
Übergang von einer Psychologie des Mangels zu einer des Überflusses bedeutet
einen der wichtigsten Schritte in der menschlichen Entwicklung. Eine
Psychologie des Mangels erzeugt Angst, Neid und Egoismus. Eine Psychologie des
Überflusses erzeugt Initiative, Glaube an das Leben und Solidarität. Tatsache
ist jedoch, dass die meisten Menschen psychologisch immer noch in der
ökonomischen Bedingung des Mangels befangen sind, während die industrialisierte
Welt im Begriff ist, in ein neues Zeitalter des ökonomischen Überflusses
einzutreten. Aber wegen dieser
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