1.000 Euro für jeden
des
Existenzminimums bewegen.
Die
Zeiten, als große Arbeitgeber mit sicheren Arbeitsplätzen noch die Regel waren,
sind in der Phase des deutschen Wirtschaftswunders zu verorten. Im Bergbau
waren damals fast eine halbe Million Menschen beschäftigt. Aber schon seit den
1960er Jahren hatten die Regierungen, Kohlekrise um Kohlekrise, gegen den
Niedergang der glühenden Landschaften entlang der Ruhr zu kämpfen. Vergebens.
Fusionen, Rationalisierungen und Schließungen führten zu permanentem
Beschäftigungsabbau, schließlich zum Ausverkauf der Zechen und Stahlwerke. In
den 1970er Jahren gab es nur noch 150000 Bergleute, in den 1990er Jahren noch
85000. Heute sind es noch knapp 30000 Menschen, die vom Bergbau leben. Mit etwa
2,5 Milliarden Euro jährlich erhält die Steinkohleförderung die höchste
Subvention aus dem Haushalt der Bundesregierung, ohne international
wettbewerbsfähig zu sein.
Da
kommt einem schon mal in den Sinn zu fragen, wie das wäre, wenn man das Geld
anstelle der Unternehmen den Bergarbeitern selbst geben würde? Dann erhielte
jeder Arbeitnehmer 53000 Euro; in jedem Jahr, solange wir diese
Subventionen zahlen. Das reicht – bei den angenommenen tausend Euro
Grundeinkommen pro Kopf – für eine vierköpfige Familie. Das Geld könnten
der arbeitslose Bergarbeiter oder seine Frau wiederum nutzen, sich beruflich
umzuorientieren. Vielleicht kämen er und sie dabei auf eine gute Idee, die
unsere Gesellschaft besser gebrauchen könnte als überteuerte Steinkohle.
Auch
die übrigen einstigen Schlüsselindustrien stecken in der Krise. Ob
Montanindustrie, Autoproduktion, Maschinenbau oder Chemie. Um den Niedergang zu
bremsen und um den Menschen keinen radikalen sozialen Absturz zuzumuten, hat
die Politik auch diese sterbenden Branchen an den Tropf der Subventionen
gehängt. Der massive Stellenabbau kann durch die neuen Stellen in den
wachsenden Branchen Kulturwirtschaft und IT nicht aufgefangen werden.
So war
die Abwrackprämie ein solches Subventionsinstrument, das – wie es
rückwärtsgewandten Subventionen nun einmal zu eigen ist – niemandem
strukturell geholfen hat. Nur kurzfristig päppelte sie eine Branche auf, die
unter immensen Überkapazitäten leidet. Weltweit werden 85 Millionen Autos pro
Jahr gefertigt, obwohl nur etwa 65 Millionen Autos verkauft werden.
Auch
die Staatsgarantie von 1,5 Milliarden Euro für Opel, die General Motors dann
doch nicht in Anspruch nahm, war zumindest zweifelhaft. Wofür wurde hier
eigentlich garantiert? Subventioniert eine solche Garantie nicht statt Arbeit
in Wahrheit Vergangenheit? Es wäre einsichtiger gewesen, wenn die Zukunft des
Autobauers von vornherein nicht nur den üblichen Akteuren von
Konzernmanagement, Gewerkschaften und Politik überlassen, sondern wenn
Sachverstand von außen hinzugezogen worden wäre, um zu sehen, was anderes,
gesellschaftlich und ökologisch Relevantes dort produziert werden könnte.
54,4
Milliarden Euro steckte Deutschland laut einer Studie des Kieler Instituts für
Weltwirtschaft allein 2009 in Subventionen. Direkt den Bürgern zur Verfügung
gestellt, wären das etwa 850 Euro pro Kopf. Pro Monat.
Die
Industrie mag in unserem Land noch immer eine wichtige Rolle spielen, im
deutschen Selbstverständnis vielleicht eine noch größere, als es ihre reale
ökonomische Bedeutung hergibt. Dennoch gilt es, sich für die Zukunft zu
rüsten – wie es im Pott seit der IBA versucht wird. Hier wird an einer
Gesellschaft gearbeitet, die sich durch das Kulturelle bestimmt. »Wandel durch
Kultur – Kultur durch Wandel« ist der Leitgedanke von Ruhr 2010. Dabei
geht es nicht nur um die Existenz von 200 Museen, 100 Kulturzentren, 100
Konzertsälen, 120 Theater- und Opernhäusern, 250 Festivals und Festen, 3500
Industriedenkmälern und Musicaltheatern, die an sich schon beeindruckend sind,
sondern um Verbindungen zu den sechs Universitäten, neun Hochschulen,
Forschungsinstituten und Technologiezentren, die nach neuen Wegen der Identität
suchen. Nie zuvor hat eine Kulturhauptstadt die Kreativwirtschaft zu einem
ihrer Hauptthemen gemacht und sie gleichberechtigt in ein Programm neben die
öffentlich finanzierte Kultur gestellt. Zum ersten Mal werden die selbständigen
Akteure und Urheber, die ihre Kulturproduktion am Markt refinanzieren (müssen),
als Modellbranche für den Wandel durch Kultur wahrgenommen. Ruhr 2010 hat die
Branchen der Kreativwirtschaft als treibende Kräfte gesellschaftlicher und
sozialer Veränderungen erkannt
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