1.000 Euro für jeden
klassische Erwerbsarbeit schwindet, die
Arbeitsplätze im kreativen Bereich und in NGOs nehmen zu. Diese Arbeit ist aber
überwiegend nicht mehr in Betrieben oder Institutionen organisiert, sondern
findet eher in Projektstrukturen statt. Konnte man das 19. und
20. Jahrhundert als das der Institutionalisierung und Normierung
begreifen, dann ist das 21. Jahrhundert das Zeitalter der flexiblen und
sich ändernden Projektstrukturen. Hier liegt die Arbeitsform der Zukunft, sie
orientiert sich am Rollenmodell der künstlerischen und publizistischen
Arbeitsformen, wie eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin belegt. Nach
ihr wird flexible, in Netzwerken organisierte Beschäftigung mit schwankender
Entlohnung bald keine Ausnahme mehr sein. Mit dem Grundeinkommen ließe sich die
Arbeit in Projekten anders gestalten, denn heute ist diese Arbeit immer
begleitet von angstbesetzten Hängepartien: Was passiert, wenn das Projekt
vorbei ist? Wie ernähre ich mich in der Zwischenzeit, bis ich ein neues Projekt
habe?
In unseren
Veranstaltungen ist genau dieses verunsichernde »Dazwischen« oft Thema. Ein
Grundeinkommen würde die Freiheit erhöhen, zu einem unsinnigen Auftrag, einem
überflüssigen Design, einem ökologisch schädlichen Produkt nein zu sagen. Und
die Freiheit, sich die Zeit dafür zu nehmen, dass Ideen reifen können. Das
Grundeinkommen würde also auch die Qualität der Produktion steigern, weil mehr
Zeit für sie zur Verfügung stünde. Vom Rande der Existenzfähigkeit befreit,
könnte man konsequent den Abbau des einzigen verbleibenden – nachhaltig
nutzbaren – Rohstoffs des 21. Jahrhunderts vorantreiben: der
Kreativität.
Ermächtigung zur
Selbstermächtigung
Der Begriff
»Empowerment« stammt eigentlich aus der Sozialarbeit. Das englische Wort ist
nur schwer ins Deutsche zu übertragen: »Ermächtigung«, »Selbstbefähigung«,
»Stärkung von Autonomie und Eigenmacht« wären Übersetzungen, die der englischen
Bedeutung nahe kämen. Mit der Idee des Empowerments verbindet sich das Ziel,
Menschen zur Entdeckung eigener Stärken zu ermutigen und mit ihnen zusammen
herauszufinden, wie sie ihr Leben selbstbestimmt und unabhängig gestalten. Auf
eine kurze Formel gebracht, geht es um »die Ermächtigung zur
Selbstermächtigung«.
Leider
müssen sich heute alle, die von der Norm abweichen, und zunehmend auch
Menschen, die im Sinne des Produktionsprozesses nicht »verwertbar« sind, als
Last empfinden, da es ihnen permanent gespiegelt wird. Doch es gibt überall
auch Beispiele dafür, dass sich im Arbeits- und Lebenszusammenhang auf die
vorhandenen Fähigkeiten einer Person, also auf das, was sie kann , bezogen wird und nicht auf das,
was sie nicht
kann .
Das
Konzept des Empowerments bedeutet eine grundsätzliche Umkehr im Denken. Es geht
eben nicht um Anpassung an Norm und Normalität, ob körperlicher, geistiger oder
kultureller Art. Auch nicht um ihre Kehrseite, die Wahrnehmung des Abweichenden
als störend und defizitär. Empowerment meint: die Erstarrung des Denkens
aufbrechen und stattdessen eine – Adrienne Goehler sagt dazu
»verflüssigte« – offene Wahrnehmung der Vielfalt an Lebensformen und
Lebensweisen zulassen.
Das
Grundeinkommen ist die gesellschaftliche Basis für das individuelle
Empowerment. Es ist eine (gesellschaftliche) Ermächtigung zur (individuellen)
Selbstermächtigung: Indem die Gemeinschaft jedem Einzelnen die Existenz
sichert, gibt sie ihnen allen das Startkapital, das eigene Leben selbst in die
Hand zu nehmen. Das ist also ein gedanklicher Paradigmenwechsel, dessen
Tragweite weit über das Finanzielle hinausgeht.
Ein
Staat, der seinen Einwohnerinnen ein bedingungsloses Grundeinkommen zahlt,
sorgt nicht mehr nur für die Bedürftigen, denkt nicht in Kategorien von
Transferleistungen, sondern er sorgt für alle – und damit auch dafür, dass
alle für sich selbst sorgen können. Aus einer Gesellschaft von Siegern und
Verlierern könnte so eine Gesellschaft möglicher Gewinner werden. Dabei helfen
die herkömmlichen Kategorien von autonom und abhängig nicht weiter, denn wir
sind alle aufeinander angewiesen, uns in unserem Wissen, Können und unserer
Empathie zu verbinden, da wir nicht wie Robinson Crusoe auf einer Insel leben.
9. Kapitel:
Bildung – unsere Zukunft!
Der Pisa-Schock und die
freien Schulen
Der erste
Pisa-Schock im Jahr 2000 weckte noch Hoffnung auf politische Veränderungen. Bei
Eltern, Kindern und den Lehrenden war die produktive Unruhe spürbar.
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