1.000 Euro für jeden
sie sind also nicht mehr
selbständig in ihrer Ausgaben- und Einnahmenpolitik, sondern mussten diese
Autonomie an die Landesregierung abtreten, so dass sich vielen die Frage
stellt, was nach dem Ende des Großen Projekts »Kulturhauptstadt Ruhr 2010« auf
sie zukommen wird.
Es
liegt auf der Hand, dass die gewonnenen wertvollen Erfahrungen aus dieser
Experimentierphase der Kulturarbeit erst mit dem Grundeinkommen eine dauerhafte
Perspektive bekommen könnten.
Auch in
Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist ein ähnlicher Strukturwandel im Gange wie im
Ruhrgebiet, auch dort wurde im Rahmen einer IBA nach neuen Wegen gesucht, die
zunächst bei der Umwelt ansetzen. Bis in die 1990er war in der Lausitz noch
Braunkohle abgebaut worden. Seit 2000 wird die von der Industrie hinterlassene
Mondlandschaft im Rahmen der IBA Fürst-Pückler-Land in eine attraktive
Naturlandschaft verwandelt. Ehemalige Industriehallen werden zu Freizeitarealen
umgebaut, Seen angelegt und buchstäblich Berge versetzt: Wenn die
Transformation sich hier auch noch auf die Freizeitindustrie beschränkt, ist
doch der Startschuss gefallen, neue Möglichkeiten der Wiederansiedlung
auszuprobieren.
In
Sachsen-Anhalt wie vielerorts in der ehemaligen DDR kämpft man mit den Folgen
von Abwanderung. Es gibt zu wenig Arbeit – die Jungen und vor allem Frauen
ziehen weg, die Alten und die schlechter ausgebildeten Männer bleiben.
Wohnungen stehen leer, ganze Städte und Dörfer sterben aus. Seit 2003 werden
dort in 19 beteiligten Städten systematisch Industrieanlagen und
Plattenbauviertel abgerissen und in Grünflächen, Skateparks oder Freiluftgalerien
verwandelt: Raum, der Tourismus anlocken soll, um die Region ins
21. Jahrhundert zu führen.
Überall
in Deutschland geht es darum, die postindustriellen Gegebenheiten auf eine
ungewisse Zukunft hin zu entwickeln und Lösungen für eine Welt zu finden, die
der heutigen nicht allzu sehr ähneln wird. Doch obgleich schon vereinzelt an
Lösungen für die Entwicklung einer neuen zukunftsfähigen Gesellschaft
gearbeitet wird, glaubt ein Großteil der Bevölkerung immer noch, dass sie nicht
Teil dieses Prozesses sein könnten. Zu sehr haben bei ihnen die Maßnahmen einer
Politik Spuren hinterlassen, die Jugendliche, Alte, MigrantInnen und
Erwerbslose als Problem und nicht als Teil der Lösung ansieht.
Eine politische Investition
in die Zukunft
Kultur ist
ein fundamentaler Bestandteil der Wirtschaft. Die Potentiale dieser
Kulturwirtschaft zu erkennen ist ein immens wichtiger Schritt, den die Politik
in Deutschland viel zu lange nicht gehen wollte, um sich zu Anfang des dritten
Jahrtausend auf einmal alles Glück von der Kreativindustrie und ihren
Arbeitsplätzen zu erhoffen. Von Passau bis Flensburg suchten die Stadtoberen
nach »Technologie, Talent und Toleranz«, ohne die, so der Soziologe Richard
Florida, Städte keine Zukunft hätten. Dieses Fieber hielt jedoch nur bis zum
Ausbruch des Weltfinanzdesasters an.
Seit
diesem Zusammenbruch der Finanzwirtschaft vor zwei Jahren scheint der
politische Hype um die Kreativität passé. Statt in Ideen und Möglichkeitsräume
zu investieren, kehren Regierungen auf allen Ebenen mit ihren
Konjunkturbeschleunigungsprogrammen zur Beton- und Blechpolitik zurück. Auf
kulturellen Betätigungen lastet hingegen wieder der Druck, Leuchtturm, Event
sein zu müssen, um ein beachteter Player in Kulturwirtschaft und
Tourismusförderung zu sein.
Denn
ein Grund dafür, dass die Kultur vom kurzzeitig gefeierten Kreativ-Star wieder
aus dem ökonomischen Rampenlicht in die Nische verbannt wurde, liegt natürlich
auch darin begründet, dass die Kreativen die Arbeitslosenstatistiken mit ihren
überwiegend unabgesicherten Honorar- und Werkverträgen nicht belasten. Im
Kulturbetrieb wird nicht gekündigt, der Prozess des Arbeitsverlusts ist ein
unauffälligerer: Man wird einfach nicht mehr beauftragt, Projekte laufen aus,
statt Sextetten werden nur noch Terzette gebucht, aus öffentlichen Mitteln wird
keine Kunst mehr angekauft etc. Kunstschaffende erhöhen also die
Arbeitslosenstatistik nicht sichtbar, wie die gekündigten
Warenhausmitarbeiterinnen, und sind deshalb nicht wahlrelevant. Kein
Wahlkämpfer tritt in ihre Arenen oder vor ihre Tore – es sind ja auch nur
unscheinbare Türen, hinter denen sich das prekäre Leben von Künstlerinnen und
Geisteswissenschaftlern verbirgt.
Die
Zeit politischer Großlösungen und normierter Arbeitsverhältnisse ist jedoch
unwiederbringlich vorbei. Die
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