1.000 Euro für jeden
Folge.
Verschiedene
Schultypen würden den einzelnen Jugendlichen gerecht werden können. Sie würden
intensiver wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Schließlich fleht jeder
Mensch »ewig um das angestammte Recht seiner Einmaligkeit, wie die Schneeflocke
und der Fingerabdruck, die immer verschieden voneinander sind«, wie Yehudi
Menuhin schrieb – auch oder gerade wenn ihm das reale Leben dies
verweigert. Im legendären Jugendmusical Linie 1 des Berliner Grips-Theaters heißt
es alltäglicher: »Ick will jebraucht werden, vastehste?!«
Gewiss,
die neue Vielfalt könnte zunächst eine Überforderung sein. Aber wir haben so
viel Zutrauen zu den Menschen, dass sie nicht nur zwischen Hunderten von
Modellen beim Autokauf entscheiden können, die unfassbar komplizierten
Gebrauchsanweisungen von Elektrogeräten verstehen, die beste Software für ihre
Computer auszuwählen in der Lage sind, sondern auch, ein Empfinden dafür
entwickeln können, welches die beste pädagogische Einrichtung für ihre Kinder
ist.
Kreativität durch
Ausprobieren: »Lass es mich tun – ich werde es können«
Wahrnehmen,
differenzieren und selbständig urteilen können – diese Fähigkeiten muss
Schule fördern. Das pure Auswendiglernen wird den Anforderungen der Gegenwart
nicht mehr gerecht. Gefragt ist Kreativität, von Einzelnen und in Gruppen. Wenn
wir aus der Weltwirtschaftskrise etwas lernen wollen, dann, dass
Gleichförmigkeit ausgedient hat. Auch hier gilt: Wir können es nicht mit den
Methoden schaffen, die uns in eben diese Situation geführt haben.
Und
dass experimentelles Denken und Handeln schon in Kindergärten und Schulen
gelehrt werden müssen: »Erkläre es mir – ich werde es vergessen. Zeige es
mir – ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun – ich werde
es können«, nichts verdeutlicht das, worum es in der Erziehung gehen muss,
besser als jener Satz Voltaires.
Lernen
ist mehr als Wissensaufnahme. Bildung ist prozessorientiert und setzt einen
sich entwickelnden Menschen voraus, deshalb muss Schule auch in einem
beweglichen Prozess bleiben, um entwicklungsfähig zu sein. Dieser Gedanke
basiert auf der Bildung aller Sinne, auch des Bewegungssinns. Eine empfindende,
wahrnehmende und gestaltende Bildung muss – um mit Hannah Arendt zu
sprechen – in ein herstellendes Handeln münden können. Dieses befähigt
Kinder und Jugendliche zum kreativen Umgang mit dem Verlust an herkömmlichen
Strukturen, der auch das Finden und Erfinden neuer Lebens- und
Arbeitstätigkeiten einschließt. Eine Fähigkeit, die künftig im Übermaß verlangt
sein wird. Fachleuten ist außerdem bekannt, dass die ästhetische Bildung völlig
im Schatten der »Pisa-Themen« liegt, die rund um das Training der kognitiven
Fähigkeiten kreisen und auf »lernenden Nachvollzug« gerichtet sind. Der
Neurobiologe Wolf Singer hat nicht nur große Defizite im Bereich der musischen Fächer
Tanzen, Musik, Gestalten, Zeichnen, sondern auch in der Vermittlung von Mimik
und Gestik festgestellt. Diese Ausdrucksmittel aber seien »im Dialog, im
Dechiffrieren dessen, was die anderen bewegt«, von unschätzbarem Wert.
Diesem
Ziel genau entgegengesetzt ist zum Beispiel der »Bildungsmonitor 2009« des
deutschen Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, der als notwendige Veränderung von
Schulen vor allem marktwirtschaftliche Kriterien wie Zeit- und Kosteneffizienz
heranzieht – nach der Logik: je kürzer die Verweildauer an den Schulen,
»umso länger kann das erworbene Humankapital (!) ertragreich auf dem
Arbeitsmarkt eingesetzt werden«.
Dort
hingegen, wo die klassische Aufteilung von Schule in Module von 45 Minuten
verlassen wird und »Dritte« wie zum Beispiel Künstlerinnen und Wissenschaftler
in den Unterricht einbezogen werden, erschließen sich völlig neue Erfahrungen.
An der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden wird zum Beispiel über Wochen hinweg
zusammen mit Künstlerinnen ausschließlich Theater gespielt. Die Erkenntnis
dieses inzwischen etablierten Experiments, das auch von anderen Schulen
aufgenommen wurde, ist: Wegen des Schauspielens – und nicht trotz –
sind die sozialen und künstlerischen Kompetenzen der jungen Menschen gestärkt
worden, und auch die kognitiven Leistungen haben sich durch das Spiel
verbessert: Lass es mich tun – ich werde es können.
Auch
der Tanz integriert Kinder und Jugendliche – gerade solche, die aus
Familien aus einem anderen Sprachhintergrund stammen. Im klassischen
Frontalunterricht, der, in
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