Was sich neckt, das küsst sich (German Edition)
1. KAPITEL
Nur in Fool‘s Gold konnte es passieren, dass ein Mercedes von einer Ziege zum Anhalten gezwungen wurde. Rafe Stryker stellte den Motor des PS-starken Wagens ab und stieg aus. Die Ziege stand mitten auf der Straße und schien ihn selbstbewusst zu mustern. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er geschworen, sie versuche ihm mitzuteilen, dass das hier ihre Straße war und wenn einer in diesem geistigen Wettstreit unterliegen würde, dann er.
„Verdammte Ziegen“, murmelte er und schaute sich nach dem Besitzer des eigensinnigen Tieres um. Er entdeckte allerdings nur ein paar Bäume, einen kaputten Zaun und dahinter Berge, die in den Himmel ragten. Einige würden das hier als Land Gottes bezeichnen, aber Rafe wusste, dass Gott, so klug und allwissend er war, mit Fool‘s Gold nichts würde zu tun haben wollen.
Kaum zu glauben, dass Rafe nur drei Stunden in Richtung Westen fahren müsste, um nach San Francisco zurückzukehren - die Stadt der guten Restaurants, der Wolkenkratzer und der schönen Frauen. Dort gehörte er hin. Nicht hierher, in den Außenbezirk einer Kleinstadt, von der er sich geschworen hatte, nie wieder einen Fuß hineinzusetzen. Und doch war er zurückgekehrt, wie ein Magnet angezogen von der einzigen Frau, der er nicht den Rücken kehren konnte - seiner Mutter.
Er stieß einen leisen Fluch aus und warf der Ziege einen bösen Blick zu. Das Vieh wog vermutlich gute hundertzwanzig Pfund. Auch wenn er die letzten achtzehn Jahre sein Bestes gegeben hatte, um seine Zeit in Fool‘s Gold zu vergessen, erinnerte er sich doch nur zu gut an die Lektionen, die er auf der Castle Ranch gelernt hatte. Wenn es ihm als schmächtigem Vierzehnjährigen gelungen war, einen ausgewachsenen Stier in die Knie zu zwingen, würde er es doch heute wohl noch mit einer Ziege aufnehmen können. Zumindest sollte es ihm gelingen, sie hochzuheben und an den Straßenrand zu tragen.
Er ließ den Blick zu ihren Hufen wandern und fragte sich, wie scharf die wohl waren und was sie mit seinem Anzug anstellen würden. Dann stützte er die Ellbogen auf dem Autodach ab und massierte sich den Nasenrücken. Wenn seine Mutter am Telefon nicht so verzweifelt geklungen hätte, würde er jetzt umdrehen und nach Hause fahren. In San Francisco hatte er Personal. Menschen, die sich um Dinge wie auf der Straße stehende Ziegen kümmerten.
Er lachte leise, als er sich vorstellte, wie seine steife Assistentin sich einer Ziege stellte. Ms Jennings, eine Frau Mitte fünfzig, unter deren Blick sich jeder noch so erfolgreiche Geschäftsmann inkompetent fühlte, würde die Ziege vermutlich so lange anstarren, bis sie entnervt weglief.
„Sie haben sie gefunden!“
Rafe drehte sich um und sah eine Frau auf sich zulaufen. In der einen Hand hielt sie einen Strick, in der anderen etwas, das aussah wie Salat.
„Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Athena bringt sich gerne in Schwierigkeiten. Bisher habe ich noch kein Schloss gefunden, das sie nicht knackt. Sie ist so klug. Nicht wahr, mein Baby?“
Die Frau näherte sich der Ziege und tätschelte ihr den Rücken. Das Tier drängte sich an sie wie ein Hund, der nach Streicheleinheiten verlangte. Gelassen duldete es den Strick und machte sich über den Salat her.
Die Frau hob den Kopf und schaute ihn an. „Hey. Ich bin Heidi Simpson.“
Sie war vielleicht eins fünfundsiebzig groß und trug ihr blondes Haar in zwei geflochtenen Zöpfen. Das in die enge Jeans gesteckte Baumwollhemd zeigte ihm, dass sie langbeinig und wohlproportioniert war - eine Kombination, die er normalerweise durchaus ansprechend fand. Aber nicht an diesem Tag. Nicht wenn er sich noch seiner Mutter und der Stadt, die er hasste, stellen musste.
„Rafe Stryker“, stellte er sich vor.
Die Frau - Heidi - starrte ihn an. Ihre grünen Augen weiteten sich, als sie einen Schritt zurücktrat. Ihre vollen Lippen bebten leicht, und ihr Lächeln war verschwunden.
„Stryker“, flüsterte sie und schluckte. „May ist Ihre …“
„Meine Mutter. Woher kennen Sie sie?“
Heidi machte noch einen Schritt zurück. „Sie ist, äh, im Moment auf der Ranch und spricht mit meinem Großvater. Es scheint da ein Missverständnis zu geben.“
„Missverständnis?“, fragte er scharf nach. „So würden Sie das, was geschehen ist, also beschreiben? Mir fallen da eher Worte wie Betrug und Diebstahl ein. Schwerer Diebstahl.“
Das ist schlecht, dachte Heidi und wünschte, sie könnte einfach davonlaufen. Normalerweise stellte
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