1.000 Euro für jeden
zu belügen, dafür sei er zu
alt.
Das
Pilotprojekt hatte einen zeitlichen Rahmen von zwei Jahren, startete im Januar
2008 und dauerte bis Dezember 2009. Aus dem Dorf bezogen 930 Menschen unterhalb
des Rentenalters in dieser Zeit monatlich 100 Namibia-Dollar, also knapp zehn
Euro: ein Betrag, der nicht ganz existenzsichernd ist, aber mehr als nur die
schlimmste Not zu lindern. Das Dorf hat aber weit mehr EinwohnerInnen, die
Angaben schwanken zwischen 1200 und 2000. Das BIG bekam nur, wer am Tag der
Registrierung ein Dokument vorlegen konnte, auch die Häftlinge aus dem Dorf,
die meist wegen Mundraub oder ähnlichen Beschaffungsdelikten eingesperrt waren.
Kinder und Jugendliche unter 21 erhielten ihre 100 Namibia-Dollar über einen
»Primary Care Giver«, den- oder diejenige, der oder die sich um sie kümmerte:
meistens die Mutter oder eine andere weibliche Person der Familie.
Ähnlich
wie bei den Mikrokrediten wurde das Grundeinkommen von öffentlichen Gesprächen
in der Gemeinschaft begleitet und bestimmt. Das Dorf wählte sich ein Komitee,
in dem alle Generationen und alle Ethnien vertreten sind: 15 Frauen und drei
Männer, darunter der Dorfchef, der selbst kein BIG erhielt, weil er am Tag der
Registrierung auf Arbeitssuche gewesen war, wie viele andere auch. Das Komitee
hat den Kontakt zur BIG-Koalition gehalten und den zweijährigen Prozess
begleitet. Eine von ihnen, Bertha Hamases, 31, alleinerziehende Mutter von vier
Kindern, führte den Fotografen Peter Dammann und mich – Adrienne
Goehler – im Februar 2010 durch das Dorf. Wir sollten uns eigene Eindrücke
verschaffen, zu dem schwierigen Zeitpunkt, da das Pilotprojekt seit zwei
Monaten abgeschlossen, der Erfolg aber noch überall zu sehen und zu spüren war.
Für eine Übergangszeit bis April 2011 reicht das vorhandene Geld noch aus, um
allen weiterhin bedingungslos 80 Namibia-Dollar, etwa acht Euro, auszubezahlen.
Cecilia,
14, führt uns als Erste durch das Haus, das sie mit Großvater, Mutter und zwei
Geschwistern teilt. Mit der Rente des Großvaters und den 400 Namibia-Dollar für
die vier Hausbewohner haben sie zwei Jahre über ein mittleres Einkommen
verfügt. Als Erstes hätten sie Schuhe und warme Kleidung vom BIG gekauft und
das Schulgeld bezahlt, dann eine Kochstelle
Cecilia und ihre Mikrowelle, © Peter Dammann, Hamburg
in der
Küche geschaffen. Mit einer stolzen Geste lädt Cecilia uns ein, uns selbst von
den Errungenschaften zu überzeugen, von Herd, Mikrowelle, Fernseher und DVD.
Aber vor allem hätten sie jetzt eine Wohnküche und zwei kleine Räume angebaut,
ein Zimmer für den Großvater ganz alleine.
Danach
begegnen wir Hendrisen Isaaks, 23. Sie begann mit Einführung des BIG, gesüßten
Tee zu verkaufen, und hat sich Stück für Stück einen Lebensmittelladen
aufgebaut, der zu einem Magneten im Dorf geworden ist, auch weil es dort eine
Juke-Box gibt. Ein Lied kostet einen Namibia-Dollar. Sobald die Musik ertönt,
strömen die Kinder zusammen, tanzen eine Runde und rennen wieder auseinander.
»Was soll die Welt über Otjivero und das Grundeinkommen wissen?«, frage ich in
die Männerrunde vor Hendrisen Isaaks Laden. Kurze Besprechung in Damara, der
meistgesprochenen einheimischen Sprache, dann die gemeinschaftlich beschlossene
Aussage: »Sagen Sie, dass es ein gutes Gefühl ist, wenn die Kinder nachts nicht
vor Hunger schreien und man weiß, dass sie morgen auch nicht schreien werden.«
Hendrisen Isaaks ergänzt, dass das BIG das Vertrauen unter den Leuten im Dorf
gestärkt habe. Das habe alles verändert. Man würde sich jetzt gegenseitig
Kredit für Anschaffungen geben, denn man wisse ja, dass sie am nächsten 15. des
Monats, dem Tag der Geldausgabe, das Geliehene zurückzahlen könnten.
Das
nächste Haus hat einen großen gepflegten Hof, mittendrin ein Chevrolet. Eine
alte Frau bittet uns hinein, sie selbst bezieht kein Grundeinkommen, aber ihre
Kinder und Enkel. »Schauen Sie, alle haben Schuluniformen und Schuhe.« Sie
selbst hat ein kleines Business, verkauft Feuerholz und kleine
Transportdienste, denn sie besitzt zwei Esel und Karren, und wenn es Benzin für
den Chevy gibt, dann dient er dem Dorf als Taxi, für Fahrten ins Krankenhaus.
50 Namibia-Dollar kostet eine Fahrt. »Das kann man sich nicht oft leisten«,
lässt sie uns sagen, deshalb steht das Auto auch meist rum.
Elmarie,
27, hat einen Beruf, seit es das BIG gibt, sie ist Pflegemutter. Acht Kinder
wuseln um sie herum, vier eigene und vier einer Mutter, die sechs
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