1.000 Euro für jeden
werden
sollten. Laut Dagmar Paternoga von Attac führt diese bedingungslose Zahlung
»dazu, dass die Menschen mehr investierten, die Unterernährung zurückgeht und
die Kinder wieder zur Schule gehen«. Wohingegen Missbrauch und
Motivationslosigkeit nicht zu beobachten gewesen seien. Das Grundeinkommen
setzte ausschließlich Kräfte frei. Mittlerweile hat sich die GTZ leider aus
Kalomo zurückgezogen, die Zukunft des Projektes ist daher ungewiss.
Bolsa Família –
Grundeinkommen
für die Ärmsten in Brasilien
Eines der
umfassendsten Social-Cash-Transfer-Programme der letzten Jahre wurde in
Brasilien gestartet: Unter dem Titel »Bolsa Família« wurde mit dem
Regierungsantritt der sozialistischen Regierung unter Präsident Luiz Inácio
Lula da Silva in den ärmsten Regionen des Landes ein Familienstipendium
eingeführt. Dieses wird gewährt, wenn das Familieneinkommen
– nachweislich – nicht höher als 120 brasilianische Reais ist: etwa
fünfzig Euro im Monat. Von den 182 Millionen Einwohnern haben seit 2003 etwa
12,8 Millionen Familien diese Art von Grundeinkommen bekommen, das eben an eine
Bedürftigkeitsprüfung gekoppelt ist und keinerlei Rechtsanspruch der etwa 52
Millionen Personen begründet, die in Brasilien als bedürftig gelten.
Langfristig ist das Ziel, allen Familien ein Grundeinkommen auszuzahlen.
Familie
ist – laut den Regeln der Bolsa Família – definiert als Person mit
Kind, egal ob Mutter, Vater, Onkel oder Großmutter oder alle zusammen: Pro
Familie gibt es für jedes Kind unter 16 Jahren 18 brasilianische Reais, allerdings
nur bis zum dritten Kind, sowie dreißig Reais pro Jugendlichem, allerdings nur
für maximal zwei, plus – wenn das Einkommen der Familie unter sechzig
Reais liegt – noch mal pauschal 58 Reais. Durch diese Beschränkung der
Anzahl der Personen will man verhindern, dass das Stipendium ein Anreiz zum
Kinderkriegen wird. Eine bedürftige Familie mit einem Kind bekommt demnach 76
Reais im Monat; eine Großfamilie maximal 172; die Lebenserhaltungskosten einer
Person betragen 150, der Mindestlohn liegt bei 350 Reais im Monat.
Die
Bolsa Família ist zudem an Bedingungen geknüpft. So besteht eine Verpflichtung
zur Teilnahme an Impfungen, ärztlichen Untersuchungen und an Kursen im Falle
von Analphabetismus bei Erwachsenen. Für die Kinder besteht Schulpflicht. Bei Bedarf
wird das Stipendium lebenslang gewährt.
Die
Kosten für den Staat sind gering. Im Staatshaushalt sind acht Milliarden Reais
für diesen Sozialtransfer eingeplant, das sind 0,3 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: Allein die Zinsen für die
Auslandsschulden Brasiliens betragen zurzeit das Zwanzigfache, nämlich etwa 160
Milliarden Reais.
Der
Erfolg ist sehr beachtlich, wenn auch nicht beruhigend: Die absolute Armut sank
kontinuierlich von einem Anteil von 34 Prozent vor 2002 auf
23 Prozent im Jahr 2005. Gleichzeitig entstanden seit 2003 mehr als eine
Million neuer Jobs pro Jahr, davon zwei Drittel reguläre
Beschäftigungsverhältnisse und ein Drittel informelle. Dies hatte immense
Auswirkungen auf die Belebung der lokalen Wirtschaft, unter anderem durch den
Anstieg der Löhne. Arbeiten mit unwürdiger und illegaler Bezahlung muss nun
niemand mehr aus Existenznot annehmen, weil das Familienstipendium die
Verhandlungsposition stärkt, sich mit ihm auch die Mobilität erhöht, die
Arbeitenden flexibler geworden sind. Begleitende wissenschaftliche
Untersuchungen zeigten, dass zehn Prozent des Grundeinkommens für
Transportkosten ausgegeben werden: Wer bislang nur in der zu Fuß erreichbaren
Farm arbeiten konnte oder eben gar nicht, steigt jetzt in den kostenpflichtigen
Bus und fährt zu einer Farm, die höheren Lohn zahlt.
Von
einem echten Grundeinkommen ist die Bolsa Família noch weit entfernt. Einmal,
weil das Kriterium der Bedürftigkeit willkürlich ist und auch die Regionen von
der Regierung ausgewählt werden. Und weil das Stipendium nicht bedingungslos
vergeben wird, ist das Programm mit erheblichem bürokratischen Aufwand
verbunden: Manche Familien sind schon mit der Antragstellung überfordert,
manche Behörden lassen sich eine kleine Summe Reais zustecken oder sparen sich
die Prüfung ganz. Deswegen fallen immer viele Familien aus dem Programm
heraus – auch dann, wenn sie objektiv den Kriterien entsprechen. Politisch
hat das zu einem vorsichtigen Umdenken bei der Regierung geführt. Götz Werner
bat im Juni 2007 den befreundeten Senator Euardo Matarazzo Suplicy,
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