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102 - Die Gottesanbeterin

102 - Die Gottesanbeterin

Titel: 102 - Die Gottesanbeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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Händen. Tränen tropften zwischen den Fingern hervor.
    „Tötet mich!" rief er. „Gewährt mir wenigstens diese Gnade! Ich will nicht mehr leben!"
    „Sieh mich an!" befahl der Samurai.
    „Tötet mich, Herr! Ich will zu meinen Ahnen gehen. Mein Leben auf dieser Welt hat keinen Zweck mehr."
    „Du sollst mich ansehen!"
    Etwas Zwingendes war in der Stimme des riesigen Samurai. Der Sumotori hob das tränenüberströmte Gesicht. Über ihm stand der Samurai, riesengroß. Mit der Linken nahm er nun die Eisenmaske ab. Ibara erwartete, ein scharfgeschnittenes grausames Gesicht zu sehen, aber er sah nichts. Wo ein Gesicht hätte sein sollen, war nur eine rosige, glatte Fläche.
    Ibara schrie auf. Er begriff, daß er den Abkömmling einer Mujina vor sich hatte, den Sohn eines weiblichen Dämons, der den Menschen die Gesichter raubte und sie einem jämmerlichen Tod überließ. Seine Opfer hatten weder Augen noch Ohren, Nase oder Mund. Sie konnten nicht mehr sehen, hören oder schmecken und auch nicht essen. Sie starben erbärmlich.
    Um Ibara wurde es dunkel. Er nahm nichts mehr wahr.
    Der Samurai drehte die eiserne Maske mit der aufgemalten Fratze um. An der Innenseite der Maske sah man ein Gesicht, das Gesicht des Samurai. Scharfgeschnitten, mit grausamen Schlitzaugen und einem dünnlippigen Mund. Dieses Gesicht konnte sehen, hören, fühlen, schmecken und auch sprechen und essen.
    Der Samurai preßte es gegen die glatte Fläche am Kopf des Sumotori. Als er die Eisenmaske wegnahm, hatte Ibara sein eigenes Gesicht wieder, aber er war jetzt zu einem Sklaven des dämonischen Samurai geworden.
    Ehrerbietig kniete er nieder und legte die Stirn auf den Boden, als der Samurai seine eiserne Maske wieder aufsetzte.
    „Ihr befehlt, Herr?"
    „Sag mir, wo ich Isogai Taketsura finde!"
    „Er weilt im Hakone-Nationalpark, bei der Stadt Hakone. Die ganze Sumotruppe ist bei ihm. Es finden Meisterschaften und Schaukämpfe statt."
    „Ich werde dorthin gehen. Dir lasse ich mein zweites Schwert zurück."
    „Was soll ich tun, Herr?"
    „Sieh in den Spiegel, dann wirst du es erfahren!"
    Der Samurai zog sein zweites Schwert aus der Scheide und legte es vor Ibara hin. Dann verschwand er, lautlos wie ein Schatten. Seine in Sandalen steckenden Füße schienen kaum den Boden zu berühren.
    Ibara hob erst den Kopf, als der Samurai fort war. Der Koloß mit dem in Fetzen niederhängenden Kimono erhob sich und nahm das Schwert an sich.
    Zu Beginn des Flures hing ein großer Spiegel an der Wand. Ibara näherte sich ihm. Sein Herz pochte heftig, und eine nie gekannte Angst erfüllte ihn. Vor einer halben Stunde noch hatte er sich wie im Himmel gefühlt und nichts und niemanden auf der ganzen Welt gefürchtet. Jetzt bebte er vor Furcht und war in die tiefste Hölle der Verzweiflung gestürzt.
    Zu viel war Ibara widerfahren. Doch noch waren seine Qualen nicht zu Ende.
    Er sah in den Spiegel und erblickte einen Fleischkoloß mit zerfetztem Gewand und langen blutenden Schnittwunden. Dann zerfloß das Gesicht dieses Mannes. Ibara spürte ein Saugen und Stechen, unbeschreiblich widerwärtig, dann schaute er sich selbst aus dem Spiegel heraus an.
    Sein Spiegelbild hatte sein Gesicht, er selbst aber besaß keines mehr. Da war nur noch eine glatte Fläche. Ibaras Gesicht aber beobachtete ihn, verhöhnte ihn.
    „Hund! Jämmerlicher Hund, wo ist dein Oichomage?" Ein Lachen kam aus dem Spiegel. „Keinen Zopf und kein Gesicht hast du mehr, Ibara Koschiro! Deine Ahnen im Jenseits werden dich verstoßen, und für die Menschen wirst du weniger sein als Hundekot."
    Mit einem Schrei der Verzweiflung riß Ibara das Schwert empor, das ihm der Samurai gelassen hatte. Er setzte die Spitze auf den Hara, den Mittelpunkt des Körpers, eine Handbreit unter dem Nabel.
    „Tu das!" stachelte ihn sein Gesicht im Spiegel an. „Begehe Harakiri, Hund Ibara! Vielleicht haben die Götter ein Einsehen und lassen dich für immer vergehen."
    Ibara stieß zu. Die Klinge drang in seinen fetten Leib ein.

    „Gesichtsloser Sumotori begeht Harakiri", las Dorian Hunter eine Schlagzeile der englischsprachigen „Tokyo News" laut vor.
    Er saß mit Coco im Doppelzimmer des „Ryokan Sapporo" im Tokioer Stadtteil Ginza.
    Dorian, der jetzt das Vermächtnis des Dreimalgrößten Hermes verwaltete, hatte die Gestalt Richard Steiners angenommen, eines alten Bekannten von Coco. Er war lang, dürr und rothaarig. Eine kreisrunde Nickelbrille gab ihm das Image eines weltfremden und ein wenig

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