1051 - Als Verfluchte grüßen...
meine ich auch so.«
»Sie wissen ja nicht, was passiert.« Jetzt trank sie einen Schluck Whisky. Hart stellte sie das Glas wieder ab. »Sammy, mein Sohn, war wirklich mein ein und alles. Ich habe um ihn gekämpft. Ich habe mich für ihn krummgelegt und diese Jobs angenommen, die man nur Tagelöhnerinnen anbietet. Ja, ich war oder bin eine Tagelöhnerin, daran gibt es nichts zu rütteln. Aber ich habe mein Geld verdient. Und jetzt gibt es Sammy nicht mehr. Ich weiß nicht, für wen ich noch leben und sorgen soll.«
»O Himmel!« flüsterte Shao und schaute uns an, weil wir wahrscheinlich die gleichen Gedanken hegten wie sie.
Auch Ida Cobin hatte die Blicke gesehen, die aber schüttelte den Kopf. »Es ist nicht so, wie Sie vielleicht denken. Sammy ist nicht gestorben, man hat ihn mir genommen. Er wurde mir geraubt. Deshalb wollte ich aus dem Leben scheiden.«
»Entführt?« flüsterte Shao.
»Nein, regelrecht geraubt.«
»Versteht ihr das?«
Wir sagten nichts, aber wir schauten uns an. Und wir erinnerten uns, daß ein gewisser William Hurt angeblich an einem Fall gearbeitet hatte, bei dem es um geraubte Kinder gegangen war. Es ließ sich nicht auf Tatsachen zurückführen und war noch ein Gerücht, aber es konnte durchaus sein, daß wir durch eine Fügung des Schicksal, Zufall wollte ich das nicht nennen – auf die Spur gestoßen waren.
»He!« rief Shao. »Was ist denn mit euch los?«
Ich winkte ab. »Noch nicht, Shao, denn wir möchten gern mehr darüber erfahren.«
»Kann ich verstehen.«
Suko beugte sich vor und legte beide Hände auf die Kniescheiben.
»Sie sind sich absolut sicher, daß Ihr Sohn Sammy geraubt wurde?«
»Das bin ich.«
»Haben Sie Beweise?«
Sie nickte. »Der Beweis müßte noch in meinen nassen Sachen stecken. Es ist ein Zettel, den ich auf dem Kopfkissen meines Sohnes gefunden habe. Darauf stand nur: Wir haben ihn!«
»Mehr nicht?«
»Nein.« Sie senkte den Kopf und fing wieder an zu weinen. Shao reichte ihr ein Taschentuch, das sie gegen die Augen und auch vor die Nase preßte.
Suko und ich schauten uns an. Zu erklären war wenig, wir wußten kaum etwas, aber wir hatten beide den Eindruck, daß sich hier Abgründe öffneten. Noch war nicht klar, weshalb Sammy entführt worden war, aber Gründe gab es genug. Oft wurden Kinder von Banden geholt, um verkauft zu werden. An irgendwelche Perverslinge, die sie dann mißbrauchten. Das spielte sich nicht nur im fernen Asien ab, leider in den letzten Jahren auch in Europa, denn die Menschen sind überall gleich.
Die Kinder verschwanden, mußten in irgendwelchen dreckigen Pornostreifen mitspielen, waren für ihr Leben gezeichnet, falls sie den Klauen ihrer Peiniger entkamen oder wurden einfach getötet, wie man es in Belgien erlebt hatte.
Auch in Südamerika und Asien kam dies oft vor. Es gab sogar Menschen, die für so etwas bezahlten, nur um als Zuschauer oder Filmer mit dabeisein zu können.
Ich merkte, wie mir die Hitze in den Kopf stieg. Von Kälte war nichts mehr zu spüren. Derartige Gedanken brachten mich in Rage.
Bisher hatten Suko und ich mit derartigen Fällen noch nichts zu tun gehabt. Wir waren allerdings bereit, die Grenzen unserer Kompetenzen zu überschreiten, nur um diesen Schweinen das Handwerk zu legen.
»Wie alt ist Sammy?« fragte ich leise.
»Acht Jahre.«
Verdammt! dachte ich. So jung noch. Aber es gab ja noch jüngere Kinder, die entführt wurden.
»Hat man mit Ihnen Kontakt aufgenommen?« erkundigte sich Suko.
»Ja.«
Sofort waren wir hellwach. »Wie denn?«
»Zwei Männer haben mich abgefangen und auf meinen Sohn angesprochen. Sie haben gemeint, daß sie ihn brauchten.«
»Wofür?«
Ida Cobin zuckte mit den Schultern. »Wenn ich das nur wüßte. Es waren fremde Personen.«
»Haben Sie nicht gefragt?« wollte Shao wissen.
»Nein. Ich war zu erschreckt.«
»Wie sahen sie denn aus?« hakte ich nach.
Ida überlegte. »Ich habe sie gehaßt. Ich habe sie sogar angespuckt. Sie gingen weg und lachten dabei. Wie sie aussahen?« Ida hob die Schultern. »Dunkle Haare und eine relativ dunkle Haut. Nicht wie die Menschen hier, sondern wie welche aus dem Süden.«
»Araber?«
»Kann sein, Mr. Sinclair.«
Ich fragte weiter. »Und Sie sind nicht zur Polizei gegangen, Mrs. Cobin?«
Sie warf mir einen verächtlichen und auch bitterbösen Blick zu.
»Zur Polizei gegangen? Wo denken Sie hin? Ich habe kein Vertrauen zu denen. Was hätten die wohl mit mir gemacht, wenn ich mich an sie gewandt hätte?
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