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Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Titel: Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Ferber
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Kapitel 1
    James fuhr im Wagen vor. Es knirschte kein Kies, denn Eaglehurst war kein vornehmes Hotel in einem der besseren Orte an der englischen Südküste. Dies war Hastings, eine Stadt, deren glorreiche Zeit vorbei war. Es gab noch gute Wohnlagen, weiter im Hinterland, doch direkt an der einst prachtvollen Küstenstraße waren die Immobilienpreise gesunken, und die großen viktorianischen Hotels standen leer oder dienten anderen Zwecken: Büros waren hier untergebracht, Sprachschulen, billige Wohnungen. Eines der größten Gebäude, schräg gegenüber dem Pier, war früher das »Empire«. James blickte an der imposanten Fassade hoch, als die Tür des Taxis aufgeschoben wurde. Nichts deutete darauf hin, dass dies kein Hotel mehr war. Genau genommen ist es das ja auch noch, dachte James. Was ist ein Hotel anderes als eine Residenz auf Zeit? Für Leute, die, genau wie das Hotel, schon bessere Tage gesehen haben.
     
    »Geht es, Mr Gerald?«, fragte der junge Mann und fasste kräftig unter seinen Arm, um ihn in das Gebäude zu führen.
    »Danke.« James hatte sich inzwischen an die Fürsorglichkeit seiner Mitmenschen gewöhnt. »Verdammte Treppe«, fügte er leise hinzu.
    Sie gingen durch die ehemalige Hotelhalle zur Rezeption. Als sie an einem großen Spiegel vorbeikamen, überprüfte James rasch sein Aussehen. Er war noch immer eine elegante Erscheinung:groß, schlank, gut gekleidet. Das Einzige, was diese Eleganz momentan trübte, war der Taxifahrer an seiner Seite: ein pickeliger Junge in ungebügeltem Hemd, Jeans und Chucks, der ihn so fest untergehakt hatte, dass es aussah, als seien sie siamesische Zwillinge. James seufzte.
    »Geht es wirklich, Mr Gerald?«, fragte der Junge mitfühlend.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, nicht wahr«, erwiderte James.
    Der Taxifahrer sah sich in der Halle nach einem Rollstuhl um. »Ah«, rief er erleichtert, »Mr Gerald, warten Sie bitte einen Augenblick hier.« Vorsichtig, als sei James eine Schaufensterpuppe, ließ er ihn los, vergewisserte sich, dass er sicher auf den Beinen stand, und holte den Rollstuhl.
    »Mr Gerald, wie schön!« Die weißhaarige Dame am Empfang erhob sich breit lächelnd, als würde sie einen alten Freund begrüßen. Nach ihrem teigigen Händedruck war James’ Hand unangenehm feucht.
    »Ich bin Josephine White.« Sie zwinkerte ihm zu. »Mir können Sie alles anvertrauen. Ich bin die Seele von Eaglehurst. Das sagen jedenfalls unsere Leutchen hier.«
    »Aha«, sagte James und lächelte zurück. Dass dieses Lächeln dünn ausfiel, lag an der Erkenntnis, dass mit »unsere Leutchen hier« ab jetzt auch er gemeint war.
     
    »Bitte, Mr Gerald, nehmen Sie Platz. Dann können wir in aller Ruhe die Anmeldeformalitäten erledigen.«
    »Ich bleibe lieber stehen, danke.«
    James sah sich in der Halle um, während Mrs White umständlich mit den Formularen hantierte. Früher musste dies ein gutes Hotel gewesen sein. Davon zeugten der Marmorboden, die stuckverzierte Decke und die große Freitreppe, die in einem eleganten Schwung nach oben führte. Die würde James fürs Erste nicht benutzen können, so viel war sicher. Er sahsich nach einem Aufzug um. Es gab zwei: einen alten, wenig Vertrauen erweckenden mit schmiedeeisern verziertem Aufzugschacht und einen nachträglich eingebauten mit Edelstahltüren, in den bequem ein Krankenbett passte.
    »Sie werden im zweiten Stockwerk wohnen«, sagte Mrs White. »Sie haben Glück. Das Apartment ist erst vor Kurzem frei geworden. Es ist eines unserer besten, mit Blick auf das Meer und die Promenade. Sie werden begeistert sein.«
    »Davon bin ich überzeugt«, sagte James. Mrs White blickte ihn irritiert an, nicht sicher, ob er das ernst gemeint hatte. Dann schaute sie auf die Uhr. »Oh, ich sehe, Sie haben noch mehr Glück. Nach dem Tee veranstalten wir Bingo. Unsere Leutchen hier lieben es. Wenn Sie möchten, können Sie gleich hier bei mir einen Spielschein kaufen.«
    James hatte in seinem ganzen Leben noch nie Bingo gespielt, und ihm war auch jetzt nicht danach zumute, Zahlen einzukreisen, bis jemand Bingo! rief und womöglich einen Gutschein für eine medizinische Fußpflege gewann. Aber sein junger Begleiter fragte interessiert: »Wie viel kostet ein Schein?«
    »Einer kostet ein Pfund, drei bekommen Sie für zwei Pfund.«
    Der Taxifahrer sah James an: »Dann nehmen wir drei Scheine, ja?«
    James gab einen resignierten Laut von sich, den die beiden als Zustimmung deuteten. Dann also Bingo.
     
    Der Taxifahrer griff James

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