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1059 - Fels der Einsamkeit

Titel: 1059 - Fels der Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Das Loch war so makellos kreisförmig und mit solcher Präzision in den Felsen gebohrt, daß es unmöglich auf natürliche Weise entstanden sein konnte.
    Sie glitten die Wand hinauf. Die Öffnung hatte eine Höhe von fast zwei Metern. Nikki und Irmina leuchteten hinein. Sie blickten in einen Höhlenraum, der sich etliche Meter weit in den Felsen hineinzog. Auf dem Boden der Höhle lagen die schlaffen, reglosen Körper von vier Rollschwämmen.
    Irmina untersuchte einen davon aus der Nähe. Es war kein Leben mehr in ihm, aber er wirkte frisch erhalten, als sei er erst vor wenigen Stunden hier zusammengebrochen.
    Die Mutantin wendete ihn auf die Seite und fand eine Stelle, an der die Körperhaut über eine Länge von zwanzig Zentimetern aufgeplatzt war. Die Öffnung war ein gerader Schnitt, der nicht wie eine Verletzung wirkte, sondern eher, als sei dort ein Reißverschluß geöffnet worden. Es war ein Zufall, daß Irmina ihn unter der dichten Körperbehaarung überhaupt gefunden hatte.
    Sie schob den schlaffen Körper in die Höhle zurück.
    „Es sieht so aus, als müßten wir unsere These revidieren", sagte sie. „Die Symbiose zwischen Amöben und Rollschwämmen ist offenbar nicht eine Angelegenheit von lebenslanger Dauer. Offenbar verspüren die Amöben hin und wieder das Verlangen, ihren Gastkörper zu verlassen."
    „Warum das?" fragte Wido. „Und was tun sie dann?"
    „Die erste Frage beantworte ich dir", sagte Irmina, „sobald ich gelernt habe, mich in die Psyche einer EM-Amöbe zu versetzen. Und was tun sie dann? Sie tummeln sich entweder als nackte, bleiche Gestalten in ihrer Urform, oder sie suchen sich einen anderen Körper als Wirt."
    „Könnte es nicht sein, daß diese Körper sterbenden Amöben gehört haben?" meinte Nikki.
    „Wo sind dann die toten Amöben?" konterte Irmina. „Und warum hätten sie mit letzter Kraft noch aus den Rollschwämmen hervorkriechen sollen? Die Schwämme sind, soweit meine Kenntnis reicht, völlig unversehrt. Ich vermute, daß sie nicht erst seit ein paar Stunden hier liegen und daß ihnen noch eine Restspur von Leben innewohnt, sonst wären sie längst zerfallen und verrottet." Sie machte eine Geste, die die gesamte Höhle umfaßte.
    „Sieht das nicht viel eher wie ein Lagerraum aus? Ein Lager für Ersatzkörper, deren sich die Amöben bedienen können, wann immer ihnen der Sinn danach steht?"
     
    *
     
    Die Analyse der aerodynamischen Charakteristiken lieferte keinerlei Hinweis darauf, warum der Wind, der überall sonst im Tal stetig wehte, den See aussparte. Die vorherrschende Windrichtung war aus Nordost. Carfesch hatte vermutet, daß die Berge jenseits des Sees einen Stau erzeugten, der den Wind nach beiden Richtungen ausweichen ließ. Seine Hypothese hielt näherer Betrachtung jedoch nicht stand. Die Berge am Südwestrand des Talkessels waren von zahlreichen Pässen durchfurcht. Nach allen Gesetzen der Aerodynamik hätte der Wind in der Gegend des Sees stärker und böiger sein müssen als irgendwo sonst im Tal.
    „Das ist eines der Geheimnisse, daß wir mit uns nehmen müssen", sagte der Sorgore.
    „Es bleibt uns keine Zeit mehr, die Zusammenhänge zu erforschen."
    „Was für eine Kraft müßte das sein, die den See befähigt, den Wind von sich fernzuhalten?" Alaskas Frage war an niemand im besonderen gerichtet. Er hatte laut nachgedacht. „Der See und der Fels, sie sind ... Gegenstände derselben Kategorie. Jeder darauf bedacht, seine ursprüngliche Form zu wahren."
    Die Gruppe der Techniker, die sich am Westufer des Sees aufgehalten hatte, kam herübergeschwebt. Sie bewegte sich in einer Höhe von mehr als zweihundert Metern - ein Zeichen dafür, daß die Männer und Frauen Respekt vor dem See hatten. Alaska betätigte die Schaltung des Gravo-Paks. Es war Zeit zur Rückkehr. Viel hatten sie nicht erreicht, aber die Analyse der Flüssigkeitsproben mochte noch den einen oder anderen Hinweis liefern, warum der See sich so merkwürdig verhielt.
    Sie glitten mit geringer Geschwindigkeit über den Talboden dahin. Sobald sie die windstille Zone rings um den See verließen, schalteten sie die Feldschirme ein. Die Kuppel des Lagers lag in nördlicher Richtung vor ihnen; die DAN PICOT stand im Nordostwinkel des Talkessels. Alaska war in Gedanken versunken, aber plötzlich nahm er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr, die seine Aufmerksamkeit erregte.
    Er schwebte in zwanzig Metern Höhe. Es gab auf dem Weg zur Kuppel kein nennenswertes Hindernis, das umflogen

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