1059 - Fels der Einsamkeit
und fünfzehn. Was erhältst du? Die Energie einer kleinen Atombombe."
Alaska sah ihn fassungslos an.
„Der See hat seine Temperatur verringert, um unsere Geräte zu zerstören?"
„Wenn du eine andere Theorie hast, möchte ich sie hören", antwortete Carfesch gelassen.
Alaska reagierte nicht sofort. Er blickte auf die Oberfläche des Sees hinaus, die jetzt wieder die Glätte eines Spiegels besaß.
„Ich glaube fast", sagte er schließlich, „du hast die ganze Zeit über gewußt, wie der See reagieren würde."
„Nicht wie, aber daß", antwortete der Sorgore.
*
„Der Fels dort!" stieß Irmina aufgeregt hervor.
Es war ein seltsames Gebilde - ein überdimensionierter Backstein mit abgerundeten Kanten und Ecken - über einen Kilometer lang und im Durchschnitt einhundert Meter hoch. Inmitten des Plateaus befand sich eine tief eingedrückte Mulde. Aus der Mulde kamen die Signale, die der EM-Scanner aufgefangen hatte.
Nikki hielt auf den Rücken des Felsens zu. Sie überflog die Mulde in geringer Höhe und mit gedrosselter Geschwindigkeit. Irmina, Narktor und Wido spähten in die Tiefe.
„Zu spät", sagte Wido. „Die Bewohner sind ausgeflogen."
„Landen", entschied Irmina. „Oben am Rand der Mulde."
Sie trugen Überlebensmonturen. Narktor blieb an Bord zurück, während die ändern drei sich der Reihe nach ausschleusten. Sie hatten die IV-Schirme aktiviert. Die Mulde wirkte verlassen, aber niemand traute dem Frieden. Besonders Nikki hatte die Begegnung mit dem Rollschwamm noch in deutlicher Erinnerung.
Die Mulde war von ovaler Form mit einer Länge von zweihundert und einer Breite von achtzig Metern. Der Boden war annähernd eben und lag vierzig Meter unter dem Rand der Mulde. Die steilen Muldenwände boten ausgezeichneten Schutz vor dem stetig wütenden Sturm. Am Nordrand der Mulde war eine Spur zu erkennen - ein Pfad, der von häufiger Benutzung abgeschliffen wie eine hellgraue Spur über den dunklen Untergrund des Felsens lief. Irmina folgte ihm bis zur nördlichen Kante des Felsblocks. Er führte über die steile Nordwand hinab und folgte dabei einem serpentinenförmigen Verlauf. Mit Hilfe der Helmlampe konnte die Mutantin ihn bis dorthin verfolgen, wo er sich in der felsigen Ebene verlor.
„Das ist eine merkwürdige Einrichtung", sagte Wido Helfrich. „Ein Versteck, so sicher wie eine Festung, mit nur einem einzigen Ausgang. Was hätten sie getan, wenn sie angegriffen worden wären?"
„Eine durchaus plausible Überlegung", gestand Irmina. „Aber zu menschlich gedacht."
„Wie bitte?" fragte Wido leicht pikiert.
„Ich glaube nicht, daß die Rollschwämme Feinde haben", antwortete die Mutantin.
„Wozu hätten sie also mehr als einen Zugang anlegen sollen?"
Sie kehrten zur Mulde zurück. Vom Rand der Vertiefung aus war nichts zu sehen, womit sich das Gelände den Namen „Siedlung" verdient hätte - abgesehen von Strukturen, die so ähnlich aussahen wie terranische Termitenbauten, von denen es mehrere Dutzend gab und die annähernd regelmäßig über die Sohle der Mulde verteilt waren.
Sie untersuchten einen der Termitenhügel. Er bestand aus einer braungelben, feinkörnigen Substanz, die nichts mit dem Felsen gemein hatte, auf dem sie ruhte.
„Ein künstlich hergestelltes Baumaterial", erklärte Irmina. „Zusammengebackener Staub oder etwas Ähnliches."
Der Hügel war anderthalb Meter hoch. An seinem Fuß gab es eine Öffnung von weniger als zwanzig Zentimetern Höhe. Mit Hilfe des Gravo-Paks beugte Nikki sich vornüber, bis ihr Kopf dem Boden so nahe war, daß sie mit der Helmlampe in das Loch hineinleuchten konnte. Sie erblickte einen gewundenen Gang, der sich im Innern des Hügels spiralig in die Höhe wand.
„Ich weiß nicht, was das ist", sagte sie. „Aber ein Rollschwamm paßt hier nicht hinein."
Sie untersuchten insgesamt fünf der Hügel und fanden sie alle von gleicher Beschaffenheit. Es gab keinen Hinweis darauf, welchem Zweck sie dienten. Es bestand kein Zweifel daran, daß dies einst ein Wohnplatz der in Rollschwämme eingebetteten EM-Amöben gewesen war - die Anzeige des EM-Scanners und die künstliche Bauweise der Termitenhügel wiesen darauf hin. Aber es ließ sich nicht erkennen, warum - und wann - die Amöben diese Stätte verlassen hatten.
Nikki sah sich ratlos um. Ihr Blick glitt die glatten und steilen Wände der Mulde entlang - und blieb an einer Öffnung haften, die etwa auf halber Höhe lag und bisher durch einen der Hügel verdeckt worden war.
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