1083 - Das Mondschein-Monster
schimmerte es rot und gelb.
Sie ging hinter die Bar, und ich suchte mir einen der Hocker in der Mitte aus. Er war weich, hatte eine Rückenlehne, er ließ sich auch drehen und war bequemer als einer in irgendeinem Pub. Hier konnte man es schon aushalten.
In den Regalen standen die Flaschen und Gläser. Auch sie schimmerten wie frisch gewienert.
Giselle schaute mir in die Augen. Ob bewußt oder unbewußt, das wußte ich nicht. Wieder forschte ich nach dem Mondlicht in ihren Augen und sah nichts davon. »Was möchten Sie trinken…?«
»Nun ja…«
»Wie gesagt, der erste Drink geht auf Kosten des Hauses.«
»Hätten Sie denn einen Vorschlag?«
Sie spitzte die Lippen und überlegte. »Ich könnte mit unserem Hausdrink dienen.«
»Bitte sehr.«
»Er heißt Moonshine.«
»Oh.« Diesmal zeigte ich eine Reaktion. »Eine derartige Bezeichnung für einen Drink habe ich noch nie gehört.«
»Er ist auch unsere Kreation. Wir schenken ihn nur bei Vollmond aus, wenn Sie verstehen.«
»Das ist mir klar. Ist es ein Mix?«
»Genau.«
»Darf ich wissen, woraus der Drink besteht?«
»Nein, nein.« Sie schüttelte den Kopf und bewegte auch ihren ausgestreckten Zeigefinger parallel dazu. »Das ist unser Geheimnis. Da muß sich der Gast schon überraschen lassen.«
»Das mache ich gern, wenn Sie einen mittrinken.«
Giselle überlegte nicht lange. »Gern, ich bin nämlich auch süchtig danach.« Sie deutete auf eines der Fenster. Nach draußen konnte man nicht sehen, das verhinderten Vorhänge. »Bei Vollmond schmeckt er mir besonders gut. Außerdem habe ich mitgeholfen, ihn zu erfinden.«
»Da bin ich gespannt.«
»Dürfen Sie auch sein.« Sie wandte sich lachend ab. Ich rechnete damit, daß sie anfangen würde, den Drink aus verschiedenen Zutaten zu mixen, doch da hatte ich mich geirrt. Er war bereits fertig und in eine große Flasche eingefüllt worden. Giselle holte sie aus dem Regal und schüttelte den Inhalt durch.
Er bestand aus einer hellen, sirupähnlichen Masse. Nicht weiß, auch nicht gelb, sondern farblich irgendwo dazwischen liegend. Wahrscheinlich sollte der Drink die Farbe des Mondes widerspiegeln.
Bisher war nichts Ungewöhnliches passiert. Zu meinem Fall hatte ich keinen Kontakt bekommen.
Es wirkte alles sehr harmlos und nett. Ich kam mir vor wie jemand, der das Büro verlassen hat, um noch einen Feierabend-Drink zu nehmen. Ich wurde nett behandelt, und auf ein Bordell wies nichts hin.
Es war auch noch nicht über Geld gesprochen worden. Ich hütete mich auch, danach zu fragen, dann hätte Giselle sicherlich gemerkt, daß mich mein Freund Jeffrey doch nicht so eingeweiht hatte.
Noch hielt die kleine Notlüge.
Aus der Flasche goß Giselle den Drink in zwei Gläser. Sie sahen aus wie breite Dreiecke mit Stielen, die wiederum ihren Halt auf zwei Glaskreisen fanden.
Eines schob sie mir hin. Ich schaute nicht Giselle an, sondern auf meinen Drink.
Giselle lachte leise. »Stimmt etwas nicht damit, John?«
»Doch, doch, alles okay. Ich frage mich nur, ob ich jetzt Eierlikör trinke.«
»Etwas schon.« Sie hob ihr Glas, ich das meine ebenfalls. Dann schauten wir uns an, und sie nickte mir zu. »Wir sind hier so etwas wie eine Familie und sollten uns duzen. Förmlichkeiten wird es später sowieso nicht mehr geben.«
»Einverstanden.«
»Auf deine schönen Stunden, John, auf die du dich sicherlich freuen kannst.«
»Das hoffe ich auch.«
Das Getränk rann zäh über meine Lippen. Giselle hatte nicht gelogen. Es war der Eierlikör tatsächlich heraus zu schmecken, aber auch andere Alkoholika reizten die Nerven meiner Zunge, und ich konnte nur anerkennend nicken, als ich das Glas abstellte.
»Wie hat er dir geschmeckt?«
»Wenn ich ehrlich sein soll, bedauere ich es, daß wir nur einmal im Monat Vollmond haben.«
»Da bist du nicht der erste, der das sagt.« Sie griff nach den Zigaretten, die aus einer Schale mit dem weißen Filter nach oben hervorragten. Die Glimmstengel waren sehr dünn und wirkten wie für Frauen gemacht.
Ich gab ihr Feuer. Sie bedankte sich mit einem Nicken und fragte: »Du rauchst nicht?«
»Nein oder nur selten.«
»Ist auch gesünder, John.«
»Du sagst es.«
Bisher hatten wir nur Belanglosigkeiten ausgetauscht, aber das sollte sich ändern, wenn es nach mir ging. Und ich wollte es in die Wege leiten, nur hatte ich nicht vor, mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern die Dinge langsam in Bewegung zu bringen.
Ich blieb erst mal ruhig, nahm einen zweiten Schluck, lobte
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