1090 - Für immer und ewig
Vorbereitungen getroffen werden. Das Anwesen stand lange leer. Man ist bestimmt dabei, es herzurichten, denke ich mir. Wie Sie schon erwähnten, wer ein Fest feiern will, braucht eben Essen und Trinken, um seine Gäste bewirten zu können.«
»Hat das Anwesen denn leergestanden?« erkundigte sich Suko.
»Fast. Es gibt einen Verwalter auf Ashford Castle. Er kümmert sich um die wichtigen Dinge. Wie man es finanziell geregelt hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich denke, daß sich die Verwandtschaft eingeklinkt hat. Außerdem stand der Besitz mal zum Verkauf. Das habe ich mehr am Rande gehört. Ich weiß allerdings nicht, wie weit die Verhandlungen gediehen sind. Die Dinge interessieren auch nur nebenbei.«
»Müßten wir weit fahren?« fragte ich.
»In die Provinz Kent, und das ziemlich am Westrand. Fast an der Grenze zu Greater London.«
»Das ist ja zu schaffen.«
Sir James lächelte. »Schön, daß Sie mir diesen Gefallen tun möchten. Wie gesagt, Sie können dort übernachten und sich umschauen. Ich werde dann wohl auch kommen.«
»Darf ich denn mal fragen, wann diese komische Hochzeit stattfinden wird?«
»Bereits am nächsten Wochenende.«
»Das wäre in vier Tagen.«
»Eben. Da kann ich mir vorstellen, daß gewisse Vorbereitungen schon in Angriff genommen worden sind.«
Ich mußte lachen. »Sogar durch das Paar. Ich bin gespannt, wer uns da begegnet. Wenn ich ehrlich sein soll, glaube ich noch immer an einen Scherz.«
Sir James schüttelte den Kopf. »Ich leider nicht…«
***
Es war wieder still geworden, sehr still. Nicht der leiseste Windhauch wehte in die Tiefe und durch das vergitterte Fenster an der Westseite. Zwar lag die Gruft unter der Erde, doch durch das Fenster sickerte noch etwas Licht, als sollten die Toten nicht nur in der ewigen Finsternis liegen.
Der Raum war groß und auch alt. Die Steinwände hielten alles zurück, was irgendwie auch nur den Anschein hatte, störend zu sein. Unheimlich wurde es in der Dämmerung. Da weichten die Konturen auf, und da schienen auch die verschiedenen Särge einfach verschluckt zu werden. Sie standen nebeneinander. Staubige Sarkophage, aus Steinen gehauen. Sehr schwer, von einem Menschen nicht zu bewegen.
Spinnweben hatten sich unter der Decke gebildet und hingen dort als graue Netze. Kleintiere krabbelten über den Boden hinweg, suchten nach Schlupflöchern und Verstecken, um dann wieder zum Vorschein zu kommen, wenn es ihnen paßte. Es war still hier unten. Keine fremden Geräusche störten normalerweise die Totenruhe. Manchmal aber huschten die Füße der kleinen Mäuse trippelnd über den Boden, bevor die Tiere wieder in ihren Verstecken verschwanden.
Auch wenn das Tageslicht durch die Lücken zwischen den Gitterstäben sickerte, wurde es hier unten nie richtig hell. Das schwache Dämmerlicht erfüllte den Raum der Toten immer wieder, und selbst im wärmsten Sommer herrschte an diesem Ort eine ungewöhnliche Kühle, über die sich ein Mensch allerdings nicht freuen konnte, denn diese Kälte war einfach anders. Sie strahlte auch nicht direkt von den Wänden ab. Dafür schien sie aus den Steinsärgen zu dringen wie unsichtbarer Totendampf.
Die alte Holztür war und blieb verschlossen. Nur der Verwalter besaß den Schlüssel und war in der Lage, sie zu öffnen. Das aber tat er nicht sehr oft.
So hatten die Toten ihre Ruhe.
Aber sie ließen keine Ruhe.
Sechs Särge standen in der Gruft. Sechs steinerne Erinnerungen an die Familie Ashford. Menschen, die hier einmal gelebt und gefeiert hatten, nun aber den Weg alles Irdischen gegangen waren und in den steinernen Totenkisten lagen, wo ihre Körper allmählich vermoderten und zu Skeletten verfielen.
Ewige Stille. Bedrückend. Kein Leben mehr, so sahen es die Menschen, so war es natürlich.
Aber es gab Ausnahmen.
Manchmal waren die Stimmen da.
Die einer Frau und die eines Mannes. Flüsternd, nur schwer zu verstehen, wie aus unendlicher Ferne kommend und von der Luft getragen. Rätselhafte Geräusche, die sich dann in Worte umsetzten, aber nur schwer verstanden werden konnten.
Wie jetzt, denn wieder wurde die Totenruhe gestört. Die wispernde Stimme füllte den Raum. Sie war selbst in der entferntesten Ecke zu hören.
»Henry, mein Lieber…«
»Ja, ich höre dich, Elisa.«
Ein leises Stöhnen drang aus dem Sarg. »Wunderbar. Ich dachte, es wäre vorbei.«
»Nein, meine Liebe. Es ist alles so, wie wir es uns gewünscht haben. Die Gäste müßten eigentlich bald Bescheid wissen. Ich habe
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