1094 - Der Aibon-Drache
sehr praktischen Gedanken ausgegangen. Vielleicht sah es hinter dem Gebäude anders aus.
Die Haustür schimmerte uns trotz der Dunkelheit entgegen. Es lag an der Kupferplatte, die ihre Vorderseite zierte. Allein die Tür mußte ein kleines Vermögen gekostet haben. Das Material setzte sich auch bei den Dachrinnen fort. Da war wirklich an nichts gespart worden.
Ich wartete, bis Chris die Sicherheitsschlösser geöffnet hatte. Die Tür schwang auf, und hinter Chris betrat ich die für mich neue Umgebung. Das Licht flammte nicht auf. Es entwickelte sich langsam wie bei einem Dimmer. Ich stand in einem recht geräumigen Entree, das mir beinahe vorkam wie eine kleine Hotelhalle. Der Strauß mit frischen Frühlingsblumen im Januar fiel mir sofort auf. Er stand auf einem ovalen Tisch. Er bildete so etwas wie den Mittelpunkt dieses Entrees. Teppiche auf hellem Parkett, Bilder schmückten die Wände.
Lampen verteilten sich so, daß sie ein optimales Licht gaben, und auf den beiden Kommoden standen moderne Plastiken.
Es war nicht kalt, nicht ungemütlich, und selbst der eiserne Garderobenständer störte nicht, der sich wie ein wohlgeformter Frauenkörper in die Höhe streckte und in der Mitte so schmal war, als besäße er eine Taille.
Es gab eine breite Treppe nach oben, aber ich sah auch mehrere Türen, die zu den anderen Zimmern führten. Eine stand offen. Es war eine breite Schiebetür. Der Raum dahinter lag im Dunkeln.
Schwach malten sich dort die Umrisse eines Wohnzimmers ab.
»Nun, gefällt es Ihnen, Mr. Sinclair?«
»Sehr schön.« Ich meinte es ehrlich. »Aber lassen wir die Förmlichkeiten. Sagen Sie John.«
»Gern. Ich bin Chris.«
Ich wies auf die Treppe. »Und Ihr Arbeitszimmer liegt oben, nehme ich an.«
»Sicher. Möchten Sie es sehen?«
»Nur wenn Sie damit einverstanden sind und wir dort auch einen Kaffee trinken können.«
»Keine Sorge, das können wir. Man hat von dort aus den perfekten Blick. Es gibt praktisch nur einen Raum, abgesehen von einem kleinen Bad. Ansonsten habe ich meinen Wohnbereich hier unten.«
Ich dachte an meine Bude und fragte: »Ist Ihnen das Haus nicht zu groß?«
Sie winkte ab. »Das dachte ich am Anfang auch. Später habe ich mich daran gewöhnt. Heute möchte ich es nicht mehr missen.« Sie blieb vor der Treppe stehen und schaute mich an, wobei sie die Stirn gerunzelt hatte. »Was ich beruflich mache, wissen Sie ja. Darf ich so neugierig sein und fragen, was Sie tun?«
»Dürfen Sie. Ich bin Beamter.«
Sie schaute mich noch immer an, doch jetzt war ich in ihrer Achtung gesunken. »Beamter«, flüsterte sie. »Nein, damit hätte ich beim besten Willen nicht gerechnet.«
»Ich kann nichts daran ändern.«
»Komisch.«
»Was ist so komisch?«
»Na ja, John, wie ein Beamter sehen Sie gerade nicht aus.«
»Und wie hätte ich Ihrer Meinung nach aussehen müssen?«
Plötzlich lachte sie. »Nein, lassen wir das Thema. Ich hatte mit Ihren Kollegen schon zu viele Schwierigkeiten. Aber man sollte ja nicht alle über einen Kamm scheren.«
»Genau. Außerdem ist heute Sonntag. Es reicht mir, wenn ich morgen wieder an meinen Job denke.«
Sie drückte auf einen breiten Schalter. Nicht nur die Treppe wurde beleuchtet, auch in der oberen Etage verschwand die Dunkelheit.
»So, dann gehe ich mal vor.«
»Tun Sie das.«
Die Treppe bestand aus Holz, das ziemlich hell war. In einem Linksbogen führte sie nach oben. Nach und nach öffnete sich mir die obere Flucht, in der Chris arbeitete.
Es war wirklich nur ein Raum. Sehr groß. Ausgelegt mit hellem Teppichboden. Für ihn und auch für die Einrichtungsgegenstände hatte ich keinen Blick, denn automatisch schaute ich nur auf die breite Glasfront an der Seite. Sie gab den Blick frei in die Natur und bei klarem Wetter wie jetzt bis hin in die Lichtermetropole Londons, die sich aus der Tiefe der Erde zu erheben schien.
Glas, nur Glas, wohin ich auch sah. Ich war sehr beeindruckt, das merkte auch Chris. Deshalb ließ sie mich in Ruhe die Umgebung betrachten.
In mir kam wieder der Polizist durch. So toll die Umgebung mit der damit verbundenen Aussicht auch war, wer hier stand und vom Licht umschmeichelt wurde, der durfte nicht ängstlich sein, denn er konnte sich vorkommen wie auf dem Präsentierteller.
Chris Talbot wollte etwas hören und fragte: »Was sagen Sie, John?«
»Toll.«
Sie stand hinter mir und lachte. »Ja, das finde ich auch, obwohl ich mich erst daran gewöhnen mußte. Nun ist es für mich der ideale
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