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Kleiner Hund und große Liebe

Kleiner Hund und große Liebe

Titel: Kleiner Hund und große Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Meine Eltern und ich
    Als meiner Mutter vor Jahren die erstaunliche Idee kam, ihre Liebesgeschichte zu Papier zu bringen, fing sie folgendermaßen an: „Ich habe drei Vaterländer und weiß nicht, wo ich geboren bin. Ich habe drei Muttersprachen oder jedenfalls zweieinhalb.“
    Wer das las, mußte ja neugierig werden. Übrigens stimmte es alles: Mein Großvater war Italiener, meine Großmutter war und ist Norwegerin. Daß Mama nicht weiß, wo sie geboren ist, stimmt auch. Das Ereignis fand nämlich in einem Eisenbahnzug mitten im Simplontunnel statt; und kein Mensch hatte darauf geachtet, ob es auf der italienischen oder auf der schweizerischen Seite geschah. Also hat Mama höchstwahrscheinlich drei Vaterländer: Norwegen, Italien und die Schweiz. Ihre zwei Muttersprachen sind Italienisch und Norwegisch, die halbe Muttersprache ist Französisch, weil sie nämlich während ihrer Jugend immer die Ferien in der französischen Schweiz verbrachte, und weil ihre heißgeliebte Großmutter - die für die ganze Familie nur „grand-mère“ ist - gebürtige Französin ist. Ich nenne sie auch grand-mère, obwohl sie eigentlich meine Urgroßmutter ist. Und ich bin auch durch sie und durch all meine Reisen in die Schweiz zu sehr guten französischen Sprachkenntnissen gekommen - zum größten Kummer meines Französischlehrers. Es ist nämlich ein paarmal vorgekommen, daß ich diejenige war, die Bescheid wußte, wenn er unsicher war! Aber wir haben eine nie ausgesprochene, nur stillschweigend getroffene Vereinbarung. Ich behalte mein Wissen für mich und zucke nicht einmal mit der Wimper, wenn ihm ein Fehler unterläuft. Dafür erkennt er die Gründe an, die ich ihm vorbringe, wenn ich - was ab und zu passiert - mittwochs zu spät komme. Mittwochs haben wir nämlich in der ersten Stunde Französisch!
    Meine Mutter ist klein, zart und schwarzhaarig. Ich bin groß, kräftig und blond - so wie Papa.
    Übrigens, wenn ich es mir überlege: Ich hätte eigentlich den Anfang genauso spannend machen können wie seinerzeit Mama. Nämlich so:    „Ich habe zwei Vaterländer und zweieinhalb
    Muttersprachen. Aber meine eigentliche Muttersprache kann ich nur mangelhaft sprechen.“
    Nur kann ich nicht - wie Mama - behaupten, daß ich nicht weiß, wo ich geboren bin. Das weiß ich nämlich haargenau. Dieses jedenfalls für mich sehr wesentliche Ereignis fand in einer Klinik in Frankfurt statt. Und es geschah vor siebzehn Jahren.
    Wir wohnen noch in Deutschland. So ist es gekommen, daß Deutsch meine Sprache ist. Norwegisch, die Sprache meiner Eltern, kann ich wenig. Aber dafür, wie gesagt, Französisch.
    Papa ist Kameramann, Fachgebiet Naturfilme und zwischendurch Werbefilme. Er wandert durchs Leben mit einer bleischweren Kamera über der Schulter, außerdem mit einem überdimensionalen Stativ. Er arbeitet für eine Filmgesellschaft in Frankfurt, deswegen sind wir in Deutschland hängengeblieben, und deswegen fühle ich mich als Deutsche.
    Bis zum Alter von neun Jahren war ich ein verhätscheltes Einzelkind. Dann aber kam mein Brüderchen Marcus auf die Welt. Er ist schwarzhaarig wie Mama und hat gerade noch seine Normalgröße, während ich ziemlich viele nicht normale Zentimeter mit mir herumschleppe. Kein Wunder, denn Papa ist ein Riese. Ich behaupte immer, Mama sieht aus, als wäre sie Papa aus der Tasche herausgefallen.
    Übrigens, was „Mama“ und „Papa“ betrifft: Als ich noch klein war, nannte ich sie Mutti und Vati. Das löste aber Proteste bei meiner norwegischen Großmutter aus, ebenso bei meinen Verwandten in der französischen Schweiz. Dann brachte Mama mich dazu, auf „Mama“ und „Papa“ umzusteigen, die Worte sind international, und so konnte ich mit meinen Eltern überall hinfahren.
    Ja, gefahren sind wir, oft und weit. Wir sind mit dem Wagen gefahren, mit dem Schiff, mit dem Flugzeug, mit der Bahn. Jedes Jahr ins Ausland, gewöhnlich nach Norwegen oder in die Schweiz, aber wir sind auch in Österreich gewesen, in Frankreich und in Dänemark. Das viele Reisen führt Papas Beruf mit sich. Er ist andauernd unterwegs; und wenn es möglich ist, die Familie mitzunehmen, tut er es. Wenn er in der Schweiz zu tun hat, werden Mama, Marcus und ich im Dorf Villeverte bei unseren Verwandten einquartiert, und Papa fährt kreuz und quer über Alpenpässe mit seinem Kombiwagen, oder er krabbelt und kraxelt auf die Berge und macht herrliche Tieraufnahmen.
    Manchmal darf ich mitkommen, und das liebe ich! Früher war Mama seine

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