1103 - Aussenseiter der Armada
entrüstete, wie eine Horde Totlebender sich erdreisten könne, einen anderen Totlebenden auf solch schmähliche Weise zu behandeln. „Genug des Protests!"
Wie gewohnt, schwieg der Armadamonteur auf der Stelle. In dem Durchgang zu einem Nebenraum erschien der Vierarmige, der offenbar sofort mitbekommen hatte, daß Öhna etwas gesagt hatte - die ersten Worte seit dem Verlassen der ZUTÄK überhaupt. In der Hand hielt der Koloß einen rechteckigen Kasten. Er stellte ihn auf einem Tisch ab und setzte sich dem Helkiden gegenüber. Langsam und betont begann er in seiner fremden Sprache zu reden, deutete dabei immer wieder auf Öhna und das kastenförmige Gerät.
Der Zweck schien klar. Offensichtlich wollte er eine verbale Verständigung herbeiführen. Öhna ging ohne Zögern darauf ein. Mittlerweile sah er den Riesen längst mit anderen Augen, fast brachte er ihm schon Vertrauen entgegen. Er hatte den Fehler gemacht, sich beim ersten Anblick des Ungetüms von dessen Äußerem leiten zu lassen und ihn dabei nach einem reinen Vorurteil gefühlsmäßig eingestuft. Seine Furcht war jedoch unbegründet gewesen. Der Riese schien ihm ebenso freundlich gesinnt wie die anderen Besatzungsmitglieder.
Von der Funktion des Übersetzungsgeräts bildete sich Öhna keine genaue Vorstellung.
Technisch war er diesbezüglich völlig unbedarft. Vielleicht sortierte der Kasten das, was er sagte, nach einem bestimmten System, verglich Wortstämme, Häufigkeit, Klang, Betonung und die Beziehung einzelner Wörter zueinander und setzte hundert oder mehr weitere Kriterien; vielleicht arbeitete er auch nach einem ganz anderen Prinzip.
Aber wie auch immer - bereits nach wenigen Minuten war das Gerät in der Lage, die Sprache des Fremden in den Armada-Slang zu übertragen, zunächst bruchstückhaft und unvollständig, doch mit zunehmender Kommunikationsdauer immer fließender.
Ein Gespräch kam zustande, eine richtige Unterhaltung. Nie zuvor hatte Öhna so etwas erleben dürfen. Es war eine gänzlich neue Erfahrung für ihn, einem Wesen aus Fleisch und Blut gegenüberzusitzen und mit ihm unbeschwert und vertrauensvoll zu reden. Womöglich würde er an Bord des Kugelschiffs tatsächlich ein Zuhause finden. Aus seinem Herzen strömte ein Hauch von Glück, und in diesen Minuten empfand er das sanfte Pochen in der Gebärkuhle plötzlich als angenehm...
Sie sprachen lange miteinander, tauschten Informationen und Erfahrungen aus. Der Große, er nannte sich Icho Tolot, war tief erschüttert über das Schicksal des Helkiden und Über die Art, wie die Armadisten mit Außenseitern umgingen, Öhnas Zutrauen wuchs beständig, und als er im Verlauf der Unterhaltung erfuhr, daß die Fortpflanzung eines Haluters sich ebenfalls nach eingeschlechtigen Prinzipien regelte, fühlte er sich mehr denn je geborgen. In einer Lebenswelt der überwiegenden Zweigeschlechtigkeit hatte das Schicksal oder der Zufall ausgerechnet diese beiden Dikline zusammengeführt...!
Icho Tolot schien darüber genauso beeindruckt, und als Öhna ihm erzählte, er werde in knapp zwei Wochen ein Kind gebären, kannte die Sympathie, die ihm von dem Haluter entgegenschlug, kaum noch Grenzen. Fortan nannte er ihn nur noch Öhnatos und bezeichnete ihn als mein Kleines - und er versicherte, diese Form der Anrede sei bei Halutern nur unter guten Freunden üblich.
Der Helkide wußte nicht mehr, wie ihm geschah. Nach all den sinnlosen Jahren fand er eine Heimat! „Ich möchte, daß du mit in die Steuerzentrale der PRÄSIDENT kommst", bat Icho Tolot, nachdem sie über eine Stunde miteinander gesprochen hatten. „Du solltest auch die Terraner kennenlernen und ihnen über die Endlose Armada berichten." Öhna stimmte sofort zu. Diesmal sträubte er sich nicht, als der Haluter ihn auf die Schulter hob; er fand sogar Gefallen daran. In seinem Bewußtsein gab es nur noch einen wirklich wichtigen Gedanken: Er war unter Freunden! Daß diese Wesen überhaupt nicht aus der Armada stammten, wie er bisher angenommen hatte, sondern von weit her kamen, besaß dabei für ihn keinerlei Bedeutung.
Als sie die Zentrale betraten, ruckten die Köpfe der anwesenden Ter raner herum. Einer von ihnen -wahrscheinlich Tanwalzen, der Kommandant - kam ihnen langsam entgegen. Icho Tolot setzte den Helkiden behutsam ab. Sofort schwirrte Ürkan auf ihn zu und begutachtete mittels der Sehlinsen, ob er sich bei dem ungewöhnlichen Transport nicht verletzt habe. Der Armadamonteur war ihnen ständig gefolgt und hielt sich
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