1103 - Das Azteken-Ritual
uns übertragen wurde, habe ich mein Veto eingelegt. Ich bin der Ansicht, daß es am besten ist, wenn Sie sich darum kümmern.«
Ich sah Sukos Nicken und stellte eine weitere Frage. »Wie weit liegt diese Anlage vom Fundort entfernt?«
»Luftlinie sind es vielleicht zwanzig Kilometer. Für einen Vogel kein Problem.«
»Wo müßten wir hin?«
»Nach Claygate. Das liegt westlich von London. Mit einem leichten Drall nach Süden. Das Gelände dort ist ideal. Leicht hügelig und auch bewaldet.«
»Wer führt diese Vogelwarte denn?«
»Die Informationen werde ich noch besorgen. Zuvor könnten Sie sich um diesen Hiero Gomez kümmern. Die Besuchserlaubnis ist bereits klar. Reden Sie mit dem Mann.«
»Glauben Sie denn, daß er von der Zelle aus die Dinge lenkt?« fragte Suko.
»Keine Ahnung. Unmöglich wäre es nicht. Etwas Ähnliches hatten wir doch schon. Kann sein, daß er Bescheid weiß. Ich hoffe, daß er sich Ihnen gegenüber nicht zu verschlossen zeigt.« Seine Stimme nahm einen sehr ernsten Tonfall an. »Denken Sie immer daran, daß Gomez ein gefährlicher Killer ist. Ihm ging es damals um das Ritual. Er ist schizophren. Er ist jemand, auf den menschliche Werte nicht zutreffen. Es scheint sich nur das zu wiederholen, was damals begann. Auch da wurden Herzen gefunden. Hier war es ebenso.«
Suko kam noch einmal auf die Vogelwarte zurück. »Ist die Vogelwarte noch in Betrieb?«
»Ja und nein. In der Sommerzeit, nicht im Winter. Aber wir haben Frühling. Sie könnten Glück haben. Das alles werden Sie noch erfahren, wenn Sie aus dem Zuchthaus zurückkommen. Es liegt in London, na ja, Sie kennen den Bau ja.«
Wir bekamen noch unsere Besucherausweise, danach konnten wir uns wieder in den Verkehr stürzen.
Glenda Perkins sah unseren Gesichtern an, wie wenig wohl wir uns fühlten. »Eine schlimme Sache?« fragte sie.
»Leider.«
»Worum geht es denn?«
»Frag Sir James«, sagte ich und öffnete bereits die Tür. Suko folgte mir. Niemand von uns lächelte.
Die Vorstellung, hier in London oder nahe der Stadt ein altes und grausames Azteken-Ritual zu erleben, ließ uns schon frösteln…
***
Bei mir verstärkte sich die Gänsehaut, als wir das Zuchthaus betreten hatten. Durch eine Betonschleuse waren wir in das Innere gelangt. Schon auf dem Weg dorthin war etwas von dieser Stimmung zu spüren, die innerhalb des Komplexes lag. Da gab es keine Freude, kein Lachen. Nur Gewalt, Mißtrauen und Frust.
Vom Direktor des Zuchthauses selbst wurden wir nicht empfangen. Der Mann, der uns begleitete, war uniformiert und gehörte schon zu den Menschen, die etwas zu sagen hatten.
Er hieß Robert Pembroke, war ungefähr 40 Jahre alt, hatte eine blasse Gesichtsfarbe und kalte Augen, die schon alles gesehen hatten, was das Leben so an Negativem zu bieten hatte.
Wir quetschten uns in sein kleines Büro, in dem mehrere Monitore standen und nahmen einen Tee an.
»Sie wollen also zu dem Tier.«
»Bitte?«
Er lächelte Suko zu. »So nennen wir Gomez hier. Keiner will etwas mit ihm zu tun haben. Was er getan hat, kann keiner begreifen. Die anderen Gefangenen eingeschlossen. Er ist jemand, der sich allein durchschlägt.«
»Sitzt er in einer Einzelzelle?«
»Ja, Inspektor, obwohl die bei uns rar sind. Wie alle Anstalten, sind auch wir überbelegt. Da ist die Gewalt an der Tagesordnung. Was an Völkerhaß auf der Welt zu erleben ist, das machen wir hier im Kleinen durch. Aber ich will Sie damit nicht langweilen. Wenn Sie ausgetrunken haben, können wir gehen.«
»Sicher.«
Es war ein Weg in die Hölle, die hier aus dickem Beton, Gittern und aus Überwachungsanlagen bestand. Wer hier einmal festsaß, der war auch lebendig begraben. Um diese Zeit war es noch relativ ruhig. Die meisten der Gefangenen hielten sich in den Werkstätten auf.
Hiero Gomez war in einem Trakt untergebracht worden, der noch besonders abgesichert war. Suko und ich hatten darauf bestanden, ihn in der Zelle sprechen zu können, ein Besucherraum erschien uns nicht geeignet. Wir wollten sein persönliches Umfeld erleben, um auch Rückschlüsse auf irgendwelche Taten ziehen zu können. Wir hatten Gomez nicht von der Liste der Verdächtigen gestrichen.
Meiner Ansicht nach schmeckte die Luft hier nicht nur verbraucht. Sie roch auch nach Gewalt und Tränen. Auf dem rauhen Boden zeichneten sich dunkle Streifen ab. Das Licht war kalt, und die Türen an den Seiten besonders gesichert. Sie ließen sich nur mit einer Chipkarte öffnen.
Vor einer der dicken Türen
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