1104 - Die Spur des irren Köpfers
Er hockte im Liegesessel, hatte den Fernseher ausgeschaltet und lauschte den Geräuschen des Windes, die immer mehr zunahmen. Eine Hurrikan-Warnung war nicht gegeben worden. Das mußte nichts bedeuten. Die Typen in der Station hatten sich schon oft genug geirrt, auch wenn sie mit der modernsten Technik ausgerüstet waren.
Nicht so Pete. Er verließ sich lieber auf seine Nase. Die sagte ihm, daß ein Sturm aufziehen würde.
Und lokale Stürme in Texas konnten verdammt schlimm sein.
Die Fenster hatte er geschlossen. So konnte keine frische Luft in den Anbau dringen, um die Wärme zu vertreiben. Die Sonne hatte schon viel Kraft und die Erde teilweise ausgetrocknet. Ein kräftiger Frühjahrsregen hätte gut gepaßt. Der aber ließ auf sich warten. Die leichten Kopfschmerzen deuteten ebenfalls an, daß sich mit dem Wetter etwas tat, und darüber konnte sich Gladstone überhaupt nicht freuen.
Allerdings lag der Anbau in einem günstigen Winkel. Er hatte den Stürmen bis jetzt trotzen können.
Die meiste Kraft wurde sowieso vom Bau der Tankstelle abgefangen.
Pete überlegte, ob er alles getan hatte. Ja, es war abgeschlossen. Auch die Außentür zu den Toiletten. Da hatte er noch einmal kontrolliert. Der Besitzer kümmerte sich nicht darum. Er war ein junger Mann aus dem Ort und besaß mehrere Tankstellen, die sich in einem Umkreis von hundert Meilen verteilten.
Gladstone hätte zufrieden sein können. Er ärgerte sich, daß er es nicht war. Dieser Gedanke an den Tod wollte ihn einfach nicht loslassen. Er fand es verrückt, dem Wahnsinn nahe, aber er konnte gegen seine Gedanken nicht ankämpfen. Irgend etwas lag in der Luft, und das hatte nicht unbedingt mit dem aufziehenden Sturm zu tun. Es war so etwas wie eine Gefahr, die sich unsichtbar immer näher an ihn herandrängte und ihn leicht nervös werden ließ.
Hinweise darauf gab es nicht.
Okay, er hörte das unheimliche Heulen. Ein Jammern wie von verwundeten Tieren. Das fand er ganz okay. Es war auch nicht für seine innere Unruhe verantwortlich. Sie mußte einen anderen Grund haben.
Gladstone strich über sein kurzgeschnittenes graues Haar und stöhnte leise auf. Der Gedanke an den Köpfer war ihm wieder gekommen. An das Gespenst mit dem Beil. An ein Phänomen, das seit einigen Wochen durch das County geisterte und die Polizei, selbst das FBI vor ein gewaltiges Rätsel stellte.
Es gab einen Killer, der Menschen zerhackte!
Er köpfte sie nicht nur, er ließ sich auch an ihnen aus, und genau das war das Fatale. Zudem war dieses Gespenst nicht faßbar. Es war eine Gestalt, die keinen Kopf besaß. Zumindest erzählte man dies, weil es einmal von zwei Zeugen gesehen worden war. Auch in einer stürmischen Nacht, ebenfalls bei Sturm. Am Morgen danach hatte man dann zwei Tote gefunden. Brutal ermordet und übereinandergelegt zu einem Kreuz. Es war ein Omen gewesen, und deshalb war er auch vorsichtig. Er rechnete damit, daß sich so etwas wiederholen könnte.
Nicht, daß er große Angst verspürt hätte. Dazu war er zu alt. Sein Leben lag hinter ihm. Und wer in Vietnam gekämpft hatte, der hatte seine Angst verdrängt.
Doch das Gefühl, die Ankunft eines Tods zu spüren, war schon komisch.
Er stand auf.
Vom Sessel aus schaute er zum Fenster hin. Draußen war es finster. Er hätte auch normal nur wenig sehen können, denn die Lichter der Tankstelle reichten auch in ihren Ausläufern nur schwach bis hinter den Anbau. Daß er jetzt so gut wie überhaupt nichts sah, lag am Staub und auch am Sand, den der Wind aus der Wüste mitgebracht hatte und fahnengleich über die Landschaft trieb und wie Vorhänge wirkten, die nie abrissen. Gladstone schaute sie an und verzog die Lippen. Er mochte das Wetter nicht, aber er war auch pflichtbewußt genug, um auch seine letzte Runde zu gehen.
Wenn nur nicht die verdammte Ahnung gewesen wäre…
Wann hatte der irre Köpf er denn zum letztenmal zugeschlagen? Pete überlegte und kam zu keinem Resultat. Er wußte nur, daß das Opfer ein Tramp gewesen war. Ein noch junger Mann, der mit seiner Gitarre durch das Land zog und die alten Western-Songs spielte, bei deren Melodien selbst hartgesottene Texaner feuchte Augen bekamen und sich jeder wie ein kleiner John Wayne fühlte.
Pete nahm den Schlüssel vom Tisch. Dann trank er seine Flasche Wasser leer, zog seine Hose etwas höher und drückte den Stetson fest auf den Kopf. So gerüstet wollte er sich dem Wind stellen.
Er öffnete die Tür - und trat sofort zurück, denn der Wind blies
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