1145 - Der unsichtbare Bote
daran, die Durchsuchung vorzeitig zu beenden. Dazu war er viel zu wißbegierig.
Sie öffneten das am Ende des Raumes befindliche Innenschott ebenfalls mit einem Handrad, da die Automatik nicht funktionierte. Das Rad ließ sich allerdings erst bewegen, nachdem sie das Luk verschlossen hatten. Der Raum erfüllte also auch die Funktion einer Schleusenkammer.
Hinter dem Schott entdeckten sie einen drei Meter hohen Korridor, der sich vor dem Zugang zur Steuerkanzel teilte. Dort gab es auch einen Antigravschacht, der jedoch nicht in Betrieb war.
Tyn kurbelte das Schott zur Steuerkanzel auf, trat ein und fuhr erschrocken zusammen, als der Schein seiner Helmlampe auf das Gesicht eines Menschen fiel, der, mit einem SERUN bekleidet, in einem für Terraner viel zu großen Kontursessel saß. Seine Augen waren geöffnet, aber blicklos.
Nejai schrie leise auf, als sie neben Tyn trat und den Menschen sah.
„Ein Terraner!" flüsterte sie. „Wie kommt er hierher?"
„Ich kannte ihn", erklärte Fragan, nachdem er sich vom ersten Schock erholt hatte. „Er hieß Nasoy Umbele und war Hypertrop-Ingenieur auf der BASIS. Er verließ zusammen mit Eric Weidenburn und rund hunderttausend anderen Weidenburnianern die Galaktische Flotte. Sie wollten ihr STAC finden. Statt dessen wurden sie von Armadamonteuren gefangengenommen und in die Endlose Armada verschleppt."
Er wagte sich näher an den Toten heran, klappte den Druckhelm zurück und sog erschaudernd den dumpfen Geruch ein, der von dem im Anfangszustand der Mumifizierung befindlichen Leichnam ausging. Hastig schloß er den Helm wieder.
„Woran ist er gestorben?" fragte Nejai.
„Ich weiß es nicht", antwortete Tyn. „Von einer Verletzung ist nichts zu sehen. Natürlich kann der Tod auch durch ein Organversagen eingetreten sein, aber eigentlich hätte der Cybermed des SERUNS so rechtzeitig eingegriffen, daß ..."
„Er hat nicht eingreifen können, Fragan", stellte Nejai fest. „Alle Systeme des SERUNS sind deaktiviert."
„Aber wenn er den Helm geschlossen und dann die Systeme ausgeschaltet hat...", begann Tyn zögernd.
„... hat er seinen Tod selbst gewollt", beendete Nejai den Satz.
„Selbstmord, aber warum ...?" überlegte Tyn.
„Wenn er ein Anhänger Weidenburns war, war er ein Spinner", meinte Nejai. „Alle diese Weidenburnianer sind nicht richtig im Kopf."
„Das glaube ich nicht", entgegnete Tyn. „Sie sind Idealisten und Träumer, aber keine Verrückten. Sicher waren sie irregeleitet, als sie STAC zu finden hofften." Er zuckte hilflos die Schultern. „Ich nehme an, es war die Einsamkeit, die Nasoy zum Selbstmord trieb.
Ganz allein in einem Armadaschlepper in einem Raumsektor voller Schiffswracks!"
„Vielleicht ist er gar nicht „allein", meinte Nejai. „Der Armadaschlepper ist groß."
„Aber hoffentlich nicht voller Leichen", erwiderte Tyn unbehaglich. „Na, schön, durchsuchen wir ihn!"
*
Sie brauchten nicht lange zu suchen.
Ein Armadaschlepper oder Goon-Block war in erster Linie als Mehrfach-Triebwerk angelegt. Demzufolge wurde sein Volumen überwiegend von den Aggregaten des Normalantriebs, des Antigravs und des Überlichtantriebs ausgefüllt. Alle Raumschiffe der Endlosen Armada waren mit Goon-Blöcken ausgerüstet. Sie klebten an den Außenhüllen und waren praktisch Lieferanten der verschiedenen Antriebsarten.
Natürlich dienten sie hin und wieder auch dazu, um Wracks abzuschleppen, Rohstoffe von Planeten zu holen, die die Armada passierte, dem allgemeinen Austausch von Gütern innerhalb einer Armadaeinheit und nur selten auch dem Transport von Armadisten.
Deshalb besaßen sie relativ wenig Räume, die für Lebewesen freigehalten wurden. Meist waren auch die Steuerkanzeln nicht besetzt, denn jeder Goon-Block verfügte über ein vollrobotisches Steuersystem, das fernsteuertechnisch programmiert werden konnte.
So brauchten Nejai Koone und Fragan Tyn nicht länger als eine halbe Stunde, um sich zu vergewissern, daß sich außer dem Toten kein anderes intelligentes Wesen in dem Armadaschlepper aufhielt.
Sie kehrten schließlich in die Steuerkanzel zurück, und Tyn öffnete den SERUN des Verstorbenen, um aus einer Tasche der darunterliegenden Bordkombination die ID-Karte zu nehmen.
Tyn fand die Karte in der linken oberen Brusttasche. Aber seine Finger ertasteten dort noch etwas anderes, und als er es ebenfalls herauszog, sahen Nejai und er, daß es sich um einen Memo-Disc handelte, eine münzmarkengroße dünne Plastikscheibe, auf
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