1149 - Im Bann des Zweisterns
Okarwen haben den Aufenthalt in der Tiefe überlebt. Vielleicht lag es daran, daß sie eine sehr junge Blüte steuerten."
„Deine Theorie ist nicht haarsträubender als alle anderen auch", seufzte Camanor. „Laß uns sehen, daß wir hier fertig werden."
Aber sie hatten ihre Suche noch nicht ganz abgeschlossen, als sie den Befehl erhielten, so schnell wie möglich zum Schiff zurückzukehren.
Samida sah zu dem hellen Fleck am milchigen Himmel hinauf.
„Ich habe das Gefühl, daß wir der BASIS sehr bald folgen werden", murmelte sie.
*
Samida war nicht die einzige, die zu Zweistern aufblickte und die Veränderung ahnte - viele Mitglieder anderer Suchgruppen taten das ebenfalls. Was aber für die Terraner nur eine verschwommene Ahnung war, das bedeutete für Millionen von Carmena die Gewißheit, daß diese schlimme Zeit nun ihrem Ende entgegenging.
Kenije spürte es, als er neben Okarwen und Athrava an den Seilen arbeitete. Von Ophra und Kebaren hatte er seit seiner Rückkehr kaum etwas gesehen oder gehört - die beiden hielten sich auf ihrer Tarja-Batha auf, die zwar immer noch in diesem Pulk dahintrieb, sich jedoch von Okarwens Tardaja weit entfernt hielt.
Kenije konnte nicht von sich behaupten, daß er allzu traurig darüber war. Oder - um die Wahrheit zu sagen - er hatte nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Es war schwer genug, Okarwens Tardaja in der richtigen Höhe zu halten. Alle Bewohner der Pflanze arbeiteten Hand in Hand, und selbst die Kinder und die Alten mußten mit all ihren Kräften zupacken.
Es war beim besten Willen nicht der richtige Zeitpunkt, um über Eifersucht und verlorene Chancen nachzudenken, und obwohl die lauen Winde noch immer wehten, war dies erst recht nicht der Augenblick, eine Romanze zu beginnen.
Und dann, von einem Augenblick zum anderen, wußte er, daß es wieder Hoffnung gab.
Er erschrak über sich selbst, als er erkannte, wie sehr er bereits resigniert hatte. Sein Vertrauen in den Zweistern war erschüttert worden, und er war bereits fest davon überzeugt gewesen, daß sie alle miteinander in der leblosen Tiefe enden würden.
Er sah Okarwen an, der genauso erstarrt und erschüttert schien. Das beruhigte ihn.
Zumindest war er nicht der einzige, der vorübergehend nicht mehr fähig gewesen war, zu glauben und zu vertrauen.
„Er wird wieder erwachen", summte er leise.
„Ja", antwortete Okarwen nachdenklich. „Und wenn er erwacht, wird er feststellen, daß Fremde auf unserer Welt sind. Kenije - ich habe einen sehr großen Fehler gemacht. Ich habe tatsächlich geglaubt, daß Zweistern selbst uns diese Fremden geschickt hat, damit sie uns beistehen."
„Das haben sie ja auch getan", summte Kenije friedfertig. „Ohne sie gäbe es jetzt viel weniger Tardajas."
„Trotzdem sind sie nicht unsere Freunde", sirrte Okarwen heftig. „Es sind Fremde, die Zweistern nicht achten. Er wird wütend werden, wenn er sie auf Carmen bemerkt, und dann ..."
„Du meinst, er wird abermals schweigen?"
„Ja - und diesmal vielleicht für immer!"
„Du hast recht. Wir müssen versuchen, die Fremden sofort loszuwerden."
„Sie werden nicht gehen wollen. Sie sind so schrecklich neugierig. Sie wollen wissen, was hier geschieht, und sie warten doch nur darauf, daß Zweistern erwacht."
„Sie werden damit aufhören", versicherte Kenije gelassen. „Wir werden ihnen etwas erzählen, das ihre Neugier stillt. Sie wollten doch wissen, warum es unten kein Leben mehr gibt. Nun, wir werden ihnen sagen, daß Zweisterns Kraft nur uns und die Tardajas stärkt und schützt, und daß alle anderen Wesen an dieser Kraft zugrunde gehen. Sie werden Angst bekommen und fliehen."
„Ja", summte Okarwen kaum hörbar. „So könnte es gehen. Aber dann müssen wir beide zu den Fremden fliegen. Ich ... habe Angst davor, diese Maschine noch einmal zu benutzen."
„Dann werde ich es tun", sagte Kenije entschlossen. „Ich fliege zu ihnen und sage ihnen, daß sie gehen müssen, oder sie werden alle sterben!"
„Wir alle werden Zweistern bitten, daß er dich beschützt und stärkt", summte Okarwen betrübt. „Ich wollte, ich hätte die Kraft, selbst zu ihnen zu fliegen. Kenije - ich wünsche mir, daß du zurückkehrst. Und auch Javra wird auf dich warten!"
*
Auch Kenije wünschte sich, daß Okarwen ihn begleitet hätte. Er erinnerte sich daran, wie er als Kind am Rand der Tardaja gelegen und nach unten gesehen hatte, auf die Welt der Zeitgipfel, die für ihn damals noch voller Geheimnisse
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