115 - Das Höllenbiest
wichen
zurück.
Nur eins blieb: der Kopf.
Er war die ganze Zeit, seit ihrem Eintritt in dieses finstere
Reich schon dagewesen, doch erst jetzt wurde er ihnen bewußt.
Der Kopf hing in einem Netzwerk aus winzigen Wurzeln und krumiger
Erde.
Er war braun und vertrocknet wie das Wurzelwerk und hob sich kaum
davon ab.
Langes dünnes, farbloses Haar fiel in Strähnen an beiden Seiten
herab, verdeckte die eingetrockneten Ohren. Das Gesicht war mumifiziert. Es sah
aus wie zerknittertes, stockfleckiges Pergament.
Die Augen waren geschlossen, die Lippen eng zusammengepreßt.
Es war der abgeschlagene Kopf jenes Drudenpriesters, welcher der
Legende nach als letzter durch das Schwert des Ritters gestorben war.
Dieser Kopf sollte, als die Erde sich öffnete, den Fluch
ausgesprochen haben, der nun Wirklichkeit geworden war.
Und der Kopf des Oberpriesters Lugus lebte! Mit dem Eintritt des
Höllenbiestes Cho-Tosh in die Welt der Gegenwart war auch dieser Mumienkopf zum
Leben erwacht. Es schien, als wäre das Netzwerk der zahllosen Wurzeln die
Kapillaren, durch die er seine Lebenssäfte bezog.
»Er ist unser Meister. Ihm müssen wir gehorchen.« Die Stimme von
Sioban Armaigh füllte die unterirdische Höhle. »Er hat sein Versprechen
gehalten, er hat mir ewige Jugend geschenkt. Nun liegt es an uns, ob wir noch
mehr erreichen, ob wir alle Macht der Hölle in uns vereinigen können, um die
Welt zu blenden, zu quälen und denjenigen Schaden zufügen können, die unsere
Feinde sind.«
Wilkins erlebte alles wie im Traum. Raum und Zeit gab es nicht
mehr für ihn, die irdischen Gesetze hatten ihre Gültigkeit verloren.
Er merkte, wie ihn das Unmögliche, das Ungeheuerliche, dessen
Zeuge er wurde, gefangennahm.
Er begriff nicht, daß sein Gefühlsleben nicht mehr normal ablief,
daß die Kräuter und nicht die Gedanken von Lugus ihn beeinflußten.
Sein Blick wurde angezogen von dem vertrockneten Gesicht. Ihm war,
als ströme Leben in die lederartigen Züge.
Bewegten sich nicht zitternd die durchscheinenden Augenlider, die
Nasenflügel, die Lippen?
Seine Fragen wurden ihm beantwortet. Er begriff einfach. Er wußte,
weshalb die sieben Drudenpriester sich hier hatten verschanzen müssen, warum
sie so gelebt und gehandelt hatten, wie die Geschichte es überliefert hatte.
Es wurde alles so einfach für ihn.
Die Gedanken und Worte von Lugus beeinflußten ihn, nahmen ihn
gefangen. Er war aufnahmefähig wie nie zuvor. Er empfand keine Angst und keine
Skrupel über das, was man von ihm erwartete.
Er war bereit, es zu geben. Er würde töten und Blutopfer bringen,
um noch tiefer in das Geheimnis einzudringen, das wie eine süße, berauschende
und alles verändernde Droge lockte und reizte.
»Du wirst mir gehorchen!« sagte die Stimme in seinem Bewußtsein.
Und die Stimme kam aus dem ausgetrockneten Kopf. Sie stellte nicht fest, sie
befahl.
Wiikins nickte. Auch Francis Lorcoum, der die gleichen Worte in
seinem Bewußtsein hörte, zeigte Begeisterung.
Lorcoum, ein wortkarger Mensch, der jedoch um so besser mit der
Feder umzugehen wußte, geriet ganz aus dem Häuschen.
»Ich will alles tun«, murmelte er. »Alles.«
Der fremde Einfluß bohrte sich wieder in ihre Hirne.
Da sprach auch schon Sioban Armagh.
»Wenn ihr euren Gehorsam unter Beweis stellen wollt, könnt ihr es
jetzt tun. Auf der Stelle.« Sie wirbelte herum und ihre dunklen Augen glühten
wie Kohlen.
Sioban Armagh hatte den Auftrag empfangen.
»Kommen Sie her!« sagte sie einfach in das Dunkel vor sich. »Ich
weiß, daß Sie da sind!«
Lugus, mit dem eine geheimnisvolle telepathische Verbindung ins
Jenseits bestand, hatte sie auf die neue Gefahr aufmerksam gemacht.
Der Schatten löste sich aus dem stockfinstern Stollen.
Ein Mann kam auf sie zu. Groß und breit wie ein Kleiderschrank.
Iwan Kunaritschew alias X-RAY-7.
Der Russe hielt die entsicherte Smith and Wesson Laser in der
Rechten.
Der PSA-Agent ließ die drei Menschen nicht aus den Augen. Er war
ihnen bis hierher gefolgt, hatte sich vom Schein der flackernden Kerze leiten
lassen. Es wäre auch unmöglich gewesen, sich zu verlaufen. Dieser Stollen
führte direkt in die Höhle. Manchmal war es Kunaritschew vorgekommen, als sei
es gar nicht sein freier Wille, diesen Weg einzuschlagen. Er hatte sich dabei
ertappt, daß er sich immer wieder gegen den fremden Einfluß zur Wehr setzte.
Nun war er hier und mußte feststellen, daß Sioban Armagh darüber
unterrichtet war, obwohl er vollkommen lautlos der Gruppe
Weitere Kostenlose Bücher