1151 - Das Babel-Syndrom
Transmittersäulen verschwunden.
Reginald Bull bemerkte es nicht, denn er drehte sich nicht um, sondern starrte aus sich weitenden Augen geradeaus.
„Das gibt es doch nicht!" flüsterte er.
„Doch, so etwas ist möglich", erwiderte Geoffry Waringer, der Bull erwartet hatte.
„Dreh dich um!" sagte Bull.
Er hatte sich wieder gefaßt und sah dem seltsamen Mann, der sich langsam aus der stählernen Wand herausgeschält hatte, abwartend entgegen, während er seinen Paratronschirm deaktivierte.
Als er ihn zuerst gesehen hatte, war das Gesicht ihm bekannt vorgekommen. Für einen Moment hatte er sogar gedacht, es wäre das Perry Rhodans. Doch dann hatte es sich scheinbar erst richtig geformt, und Bull wußte, daß er dieses Gesicht zum erstenmal in seinem Leben sah.
Es war kantig und hart und so farblos wie das Haar, und es hätte das Gesicht eines Menschen sein können, wenn die schwarzen Augäpfel und die grellweißen Pupillen nicht gewesen wären - und wenn das Wesen nicht aus der Wand getreten wäre.
„Hm!" machte Waringer.
Bull lächelte. Geoffry und er waren beide nicht leicht zu erschüttern.
„Hallo!" rief er. „Das ist Geoffry Waringer - und ich bin Reginald Bull. Ich hoffe, du kannst mich verstehen."
Der Fremde lächelte melancholisch.
„Wo ich bin, weicht das Babel-Syndrom. Mein Name ist Chthon. Ich bin gekommen, um dich, Reginald Bull, zu warnen. Das Babel-Syndrom wird bald enden, doch damit fängt alles erst an. Es ist Vishna, die hinter all dem steht."
„Also doch!" entfuhr es Bull. „Willkommen, Chthon! Woher kommst du?" Er kniff die Augen zusammen. „Mir scheint, als wärst du nur halbstofflich."
„Ich bin ein vierdimensionaler Schatten", antwortete Chthon. „Meine Herkunft ist nicht leicht zu erklären. Es gibt Wichtigeres. Vishna will die Erde zu sich holen und die Menschen versklaven oder vernichten. Terra und Luna sind dabei, in den Grauen Korridor zu stürzen. Dort wird das Babel-Syndrom enden, denn dann hat es seinen Zweck erfüllt, gezielte Maßnahmen gegen das Einfangen von Terra und Luna zu vereiteln.
„Was können wir dagegen tun?" fragte Waringer.
„Dagegen nichts", erklärte Chthon. „Der Prozeß des Sturzes in den Grauen Korridor läßt sich nicht mehr umkehren. Dazu ist er zu weit fortgeschritten. Ihr werdet eure Kunstsonnen einschalten und euch darauf vorbereiten müssen, die nächste der sieben Plagen zu überstehen, die euch erwarten. Das Babel-Syndrom war die erste und harmloseste Plage."
Bull holte tief Luft und bemühte sich, sich nur auf das Wesentliche zu konzentrieren.
„Woraus wird die nächste Plage bestehen, Chthon?" fragte er eindringlich.
„Alles zu seiner Zeit", sagte der Unheimliche. „Ich werde versuchen, euch zu helfen, aber auch ich vermag Ursache und Wirkung nicht auszutauschen."
Er wandte sich um und ging wieder in die Wand hinein.
„Teufel auch!" stieß Bull hervor. „Ein vierdimensionaler Schatten! Erkläre mir später, was das ist, Geoff! Jetzt haben wir Wichtigeres zu tun. An die Arbeit!"
*
Lassel Domaschek ließ das Gleitertaxi mitten im Crest-Park landen. Er wollte die restliche Strecke bis zum Kommunikationszentrum zu Fuß gehen.
Er sah dem lautlos davonschwebenden Fahrzeug nach, dann blickte er in den Himmel, in dem die Kunstsonne allmählich erlosch, weil die Nachtperiode für diesen Teil Terras anfing.
Die Zivilisation der Erde hatte sich erstaunlich schnell vom Babel-Syndrom und seinen unmittelbaren Folgen erholt. Innerhalb von drei Tagen waren die Straßen aufgeräumt, die von den Beben beschädigten Häuser repariert und die meisten Gleiter wieder fahrbereit gemacht worden. Nur die Toten waren nicht wieder lebendig geworden.
Und der Himmel hatte sich auf unheimliche Weise verändert.
Nicht nur, daß die Sterne verschwunden waren, an ihre Stelle war ein schmutziges Grau getreten, das von Streifen in allen Farben des Spektrums durchzogen wurde. Die unendliche Weite des Weltraums war auf bedrohliche Art eingeengt. Einziger tröstlicher Anblick war der des Erdmonds.
Die Menschen wußten, daß Terra und Luna mit Überlichtgeschwindigkeit durch den sogenannten Grauen Korridor rasten, nachdem die beiden Himmelskörper durch eine Art Metagrav-Vortex gestürzt waren. Sie wußten auch, daß diese Ereignisse von Vishna herbeigeführt worden waren und gesteuert wurden. Reginald Bull hatte zu ihnen darüber gesprochen, nachdem das Babel-Syndrom abgeklungen war.
Dennoch ging das Leben annähernd normal weiter. Gänzlich
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