1154 - Dämonen-Trauer
irgendwann einmal enden würde.
Ben richtete sich vorsichtig auf, um über die obere Kante des Grabsteins hinweg spähen zu können.
Er war jetzt mutiger geworden und wollte herausfinden, wo die Person hockte die so schrecklich heulte. Außerdem musste er erfahren, wie sie aussah. Da trieb ihn die Neugierde einfach an. Er konnte sich kaum vorstellen, dass es sich dabei um einen Menschen handelte, zumindest nicht um einen normalen. Wahrscheinlich war es jemand, der eigentlich in eine Klinik gehörte, von dort aber ausgebrochen war.
Die Töne waren noch immer zu vernehmen. Jetzt nicht mehr so laut. Ab und zu nur unterbrachen sie die Stille. Da erinnerten sie ihn an das Schluchzen eines Menschen.
Es konnte auch sein, dass der Unbekannte versuchte, den Friedhof zu verlassen, deshalb lauschte Ben nach fremden Geräuschen wie schnellen Tritten, Knistern oder Huschen, von Füßen.
Er hatte Pech.
Niemand ging. Niemand wollte fliehen. Adams fragte sich, ob er das nicht als einen Glücksfall ansehen sollte und wurde noch mutiger, denn er richtete sich jetzt zu seiner vollen Größe auf, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen.
In seiner unmittelbaren Nähe bewegte sich nichts. Darüber war Ben schon froh. Er lächelte sogar.
Der Schweiß auf dem Gesicht war kalt geworden. Wenn Adams atmete, dampfte es wie Nebel vor seinen schmalen Lippen.
Der Blick in die Runde brachte nicht viel. Zumindest nicht beim ersten Versuch. Da bewegte sich niemand in seiner Nähe, und er hütete sich auch davor, die Taschenlampe einzuschalten. Wenn sich der andere auf dem Friedhof aufhielt, wollte er ihn auf keinen Fall auf sich aufmerksam machen.
Ben Adams wartete darauf, ob sich das Heulen wiederholte. Nein, da tat sich nichts. Der Friedhof blieb in der Stille liegen, die ihm zu dieser Zeit auch zustand. Es gab auch kein Tier in seiner Nähe, das ein Geräusch verursacht hätte.
Nur sich selbst hörte er. Das heftige Atmen zeigte Adams an, dass er nervös war. Den Recorder hatte er nicht ausgestellt. Er würde bis zum Ende durchlaufen.
Auf dem Friedhof bewegte sich nichts. Er sah kein Tier und auch keinen Menschen. Nach wie vor waren die Grabsteine zu sehen, die die flachen Gräber schmückten. Der Wind spielte wieder mit dem alten Laub.
Aber jemand hatte geheult. Und dieser Jemand war kein Tier gewesen, sondern ein Mensch. Davon ging Ben einfach aus, obwohl er den Heuler oder den Trauernden nicht zu Gesicht bekommen hatte.
Da hatte sich im Vergleich zu den anderen Nächten nichts verändert. Nur hatte er in dieser Nacht im Zentrum gesessen.
Ben Adams überlegte, ob er verschwinden oder warten sollte. Eigentlich hatte er hier nichts mehr zu suchen. Zudem war er nicht unbedingt erpicht darauf, mit einer ihm fremden Gestalt zusammen zu treffen, die ihm vielleicht sogar gefährlich werden konnte. Aber Adams war auch neugierig. Es drängte ihn, endlich eine Lösung zu finden. Er spürte das Kribbeln auf seinem Rücken. Das kannte er. Es trat immer dann ein, wenn etwas Bestimmtes in der Luft lag. Da hatte er schon Vorahnungen.
Noch immer suchte er die Umgebung ab. Dabei bewegte er seinen Kopf langsam hin und her.
Die Bewegung sah er plötzlich, als er wieder über den hohen Grabstein hinweg schaute.
Im ersten Moment dachte er an eine Täuschung. Auch weil er nicht damit gerechnet hatte, etwas Helles über den Friedhof huschen zu sehen. Seiner Meinung nach musste jemand, der sich hier aufhielt, immer dunkel und düster sein, damit er nicht sonderlich auffiel.
Das war hier anders.
Eine helle Gestalt. Das typische Gespenst, mit dem man Kinder erschreckte. Obwohl Adams es genau verfolgen konnte, hatte er große Schwierigkeiten, es einzuordnen.
Die Gestalt nahm ihren Weg. Adams hörte nichts. Wahrscheinlich war sie zu weit entfernt, so dass die Laufgeräusche nicht bis zu ihm drangen. Oder war es dem Unheimlichen vielleicht möglich, über dem Boden zu schweben?
Der heimliche Beobachter schloss jetzt nichts mehr aus. Ein Spuk in der Nacht. Ein Gespenst. Vielleicht eines Toten, der keine Ruhe fand.
Zahlreiche Vergleiche stürmten durch seinen Kopf, während er den Weg der unheimlichen Gestalt verfolgte, die genau zu wissen schien, wohin sie gehen musste. Sie irrte nicht von Grab zu Grab; sie bewegte sich entschlossen auf ein Ziel zu.
Ben Adams war äußerlich sehr ruhig. Innerlich hielt ihn die Spannung gepackt. Die Gestalt wehte, ging und flatterte über den Friedhof hinweg. Sie störte sich auch nicht an irgendwelchen
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